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Roaming und Netzneutralität Was ändert sich für EU-Bürger?

Stand: 27.10.2015 19:19 Uhr

Die EU läutet das Ende der Roaming-Gebühren ein und legt erstmals auch Regeln zur Netzneutralität fest. Doch über was genau hat das EU-Parlament nun abgestimmt und warum ist die Entscheidung zur Netzneutralität umstritten? Christian Feld gibt einen Überblick.

Von Christian Feld, ARD Berlin

Über was wurde heute abgestimmt?

Für Handy- und Internetnutzer könnte sich einiges ändern. EU-Kommission, Mitgliedstaaten und Parlament haben gemeinsam ein umfangreiches Telekommunikationspaket verhandelt. Mit der Abstimmung im EU-Parlament ist die letzte Hürde genommen, damit es in Kraft treten kann. Das Paket hat zwei Teile. Erstens geht es um die Roaming-Gebühren. Das sind die Extrakosten, die anfallen, wenn man sein Handy im Ausland nutzt. Außerdem regelt das Paket die sogenannte Netzneutralität. Es handelt sich dabei um eines der Grundprinzipien des Internets.

Was ändert sich bei der Handy-Nutzung im Ausland?

In den vergangenen Jahren ist Telefonieren und mobiles Surfen im EU-Ausland deutlich günstiger geworden. Noch aber berechnen die Telekommunikations-Unternehmen ihren Kunden extra Gebühren. Viele Unternehmen bieten ihren Kunden bereits jetzt Urlaubspakete für Telefonieren und Surfen im EU-Ausland an. Zum 15. Juni 2017 sollen die Roaming-Gebühren weitestgehend wegfallen. Ein Telefonat am Strand in Spanien kostet dann genau so viel wie zu Hause.

Fallen die Roaming-Gebühren damit endgültig?

Nicht ganz. Das gebührenfreie Telefonieren und das Surfen im EU-Ausland haben Grenzen. Das neue Gesetz beinhaltet eine sogenannte "Fair use"-Klausel, die den Unternehmen zugute kommt. Die Klausel besagt: Die Befreiung von Roaming-Gebühren gilt nur für eine "angemessene Nutzung" des Handys im Ausland. Es soll also nicht möglich sein, sich irgendwo in der EU einen besonders günstigen Tarif zu suchen und dann unbegrenzt in einem anderen Land zu telefonieren. Anbieter können deshalb Obergrenzen für die Dauer von Telefonaten oder Zahl der verschickten SMS festsetzen. Wie diese Obergrenzen genau aussehen, werden die EU-Kommission und die Europäische Regulierungsbehörde festlegen. Erst danach wird sich zeigen, ob die Klausel auch für Kunden fair ist.

Was passiert bis zum Sommer 2017?

Als Zwischenschritt sollen die Roaming-Gebühren noch einmal sinken. Zurzeit gelten Obergrenzen für den Endpreis. Zum 30. April 2016 wird es stattdessen maximale Aufschläge auf den Preis im Inland geben. So darf dann beispielsweise ein Telefonat im EU-Ausland nur maximal fünf Cent (ohne Mehrwertsteuer) zusätzlich kosten.

Was ist Netzneutralität?

Eine einheitliche und allgemeingültige Definition gibt es nicht. Aber im Grunde bezeichnet Netzneutralität ein Grundprinzip des Internets: Alle Daten sollen auf ihrem Weg von A nach B gleich behandelt werden. Egal ob wir eine Mail verschicken oder uns ein Video ansehen - immer senden wir damit Daten von einem Computer im Netz zum anderen. Die Daten werden in kleine Pakete zerlegt, die unabhängig voneinander durch die Datenleitungen geschickt werden.

Beim Empfänger werden die Pakete wieder zusammengebaut und sind wieder eine Mail oder ein Foto. Netzneutralität steht für den Grundsatz, dass sämtliche Datenpakete im Normalfall gleich behandelt werden, seien sie von einem kleinen Blog oder von einem Internet-Giganten (Best-Effort-Prinzip). Es gibt keine Vorzugsbehandlung.

Was ist dabei nun umstritten?

Aus Sicht der EU-Kommission wird mit der heutigen Entscheidung die Netzneutralität in der ganzen EU festgeschrieben. Niemand dürfe sich die Vorfahrt im Netz erkaufen. Die Kritiker lesen denselben Gesetzestext ganz anders und hatten bis zur Abstimmung lautstark gewarnt. Sie warnen, die Netzneutralität werde verwässert, weil vage Formulierungen Schlupflöcher böten. Es drohe ein "Zwei-Klassen-Internet". Im Blick haben die Kritiker dabei vor die sogenannten Spezialdienste, durch die einige Daten bevorzugt behandelt würden. Die EU-Kommission spricht von sehr begrenzten Ausnahmen und nennt als Beispiel die Tele-Medizin. Die Kritiker befürchten, dass große Internetfirmen immer mehr das offene Internet durch Spezialdienste gegen Aufpreis ersetzen wollten. Dadurch würden finanzstarke Platzhirsche ihre Marktmacht weiter ausbauen - zum Nachteil von Startups. Das gehe auf Kosten der Vielfalt im Internet.

Wird sich für Internetnutzer etwas ändern?

Das Telekommunikationspaket hat im EU-Parlament die letzte Hürde genommen. Beim Roaming ist damit ziemlich klar, was passiert. Wie sich die Regeln zur Netzneutralität auswirken werden, muss sich noch zeigen, wenn zum Beispiel die Spezialdienste konkreter werden. Die Einzelheiten und genauen Definitionen müssen noch ausgehandelt werden. Einige Abgeordnete hatten im Vorfeld Bedenken mit Blick auf die Netzneutralität geäußert. Am Ende standen viele Parlamentarier vor einer Abwägung: Der Wegfall der Roaming-Gebühren ist eine Entscheidung, über die sich viele EU-Bürger sehr freuen werden. Das Prinzip der Netzneutralität wirkt im Gegensatz dazu weniger greifbar. Welche Pläne werden die Unternehmen präsentieren? Wie stark wird die jetzige Entscheidung das Internet wirklich verändern? In den kommenden Monaten dürfte klarer werden, ob die Kritiker mit ihren Befürchtungen Recht behalten.