Estland ist 17. Euro-Land Ein Musterschüler als Mitglied im Euro-Klub

Stand: 01.01.2011 11:35 Uhr

Zuwachs inmitten der bisher schwersten Krise: Estland hat zum Jahreswechsel als 17. Land den Euro eingeführt. Das neue Klubmitglied ist ein echter Musterschüler, mit geringen Schulden und einem niedrigen Defizit - und ist als Vertrauensbeweis für die kriselnde Währung willkommen.

Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel

So manch einer läutet dem Euro schon die Sterbeglocke, da bekommt die Euro-Familie ein neues Mitglied. Wenn die knapp anderthalb Millionen Esten im neuen Jahr ihre Krone gegen den Euro eingetauscht haben, dann bezahlen die Bürger von 17 Staaten mit der Gemeinschaftswährung. Für EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist das ein sehr willkommenes Zeichen des "Vertrauens in die Zukunft des Euro".

Aber kann der Klub überhaupt Zuwachs vertragen - in einem Moment, in dem mehrere überschuldete Staaten nur durch einen eilig aufgespannten Rettungsschirm vor der Pleite bewahrt werden können? EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn sieht in den Esten keine Belastung, sondern eine Bereicherung: "Der Stand der öffentlichen Verschuldung in Estland ist vorbildlich. Die Gesamtverschuldung im Vergleich zur Wirtschaftsleistung beträgt in den EU-Staaten durchschnittlich 75 Prozent, in Estland sind es 7,5 Prozent." Estland ist in diesem Jahr - neben Luxemburg - auch das einzige Land, das die im Stabilitätspakt vorgeschriebene Drei-Prozent-Grenze für das Haushaltsdefizit einhält.

"Die Esten haben faktisch längst den Euro"

Auch der grüne Europaabgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold sieht den Beitritt des baltischen Musterschülers als reine Formsache: "Die Esten haben faktisch längst den Euro eingeführt. Wenn sie dort Kredite aufnehmen, tun sie das in der Regel in Euro. Die Währung ist gegenüber dem Euro seit langer Zeit stabil. Deshalb haben die alle Entscheidungen der Europäischen Zentralbank stets nachvollziehen müssen. Die waren faktisch ein Euro-Satellit."

Die Regierung in Tallinn hat jahrelang alles dafür getan, vom Satelliten zum Klubmitglied aufzusteigen. Als die estnische Wirtschaft im Gefolge der Weltfinanzkrise einbrach, widerstand man der Versuchung, die Krone abzuwerten. Stattdessen hieß die Devise: eisern sparen. Die Löhne im öffentlichen Dienst und die Sozialleistungen wurden radikal zusammengestrichen.

Die ehemalige estnische Außenministerin und jetzige Europaabgeordnete Kristiina Ojuland erklärt, warum sich ihr Land den Euro unbedingt haben will: "Wir haben die große Erwartung, dass Investoren angezogen werden, dass sie mehr Vertrauen in ein Land haben, dessen Währung nicht hin- und herschwanken kann."

Hoffnung auf neue Investoren

Außerdem hofft man in Tallinn, dass die niedrigeren Zinsen in der Eurozone einen Investitionsschub auslösen werden. Auch Sven Giegold hält den Beitritt zum Euro-Klub prinzipiell für sinnvoll: "Mit einer kleinen Währung in diesen unsicheren Zeiten im globalen Finanzsystem zu schwimmen, ist eine sehr unangenehme Veranstaltung. Also, eine kleine Währung hat es sehr schwer in diesen Zeiten."

Estland ist nach Slowenien und der Slowakei das dritte ehemals sozialistisch regierte Land, das sich für den Euro qualifizieren konnte. Aber das dürfte nun für viele Jahre auch der letzte Neuzugang gewesen sein. Entweder, weil die Erfüllung der Beitrittsvorausssetzungen in der Wirtschaftskrise in weite Ferne gerückt sind oder weil die Lust auf den Euro abhanden gekommen ist.

Kein weiterer Beitritt absehbar

Im wirtschaftlich am ehesten vorbereiteten Tschechien ist sowohl eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung als auch die Regierung gegen die Währungsunion. Polen ist zwar immer noch entschlossen, aber so Ministerräsident Donald Tusk, man werde sich auf dem Weg zum Euro nicht übereilen. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban hält einen Beitritt angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Probleme seines Landes frühestens in zehn Jahren für realistisch. Für Bulgarien und Rumänien ist wahrscheinlich selbst dieser Zeithorizont noch zu optimistisch.

Am meisten Ehrgeiz lassen noch die anderen baltischen Staaten Lettland und Litauen erkennen. Aber auch da gilt 2014 als die frühster denkbarer Termin.