Ein E-Auto wird an einer Ladesäule aufgeladen.
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Batteriezustand bei E-Autos Rätseln über die Akku-Gesundheit

Stand: 16.03.2024 12:48 Uhr

Gebrauchtwagen mit Elektroantrieb lassen sich schwer verkaufen. Denn ihr Herzstück, der Akku, gibt Kaufinteressenten Rätsel auf. Die Branche will mit Batteriechecks Durchblick liefern. Nur wie?

Beim Verbrenner können eine Probefahrt und ein Blick unter die Motorhaube den Umgang des Vorbesitzers mit dem Gefährt immerhin andeuten. Dagegen ist beim E-Auto das teuerste Bauteil eine "Black Box", die ihr Inneres verbirgt: Die Ionen - jene elektrisch geladenen Teilchen, die Kraft liefern - können vom Vorbesitzer in Wohlfühlatmosphäre durch die Landschaft gegondelt worden sein. Oder er hat sie getreten, dass sich die Batteriezellenwände biegen.

Verbrenner- und E-Autos teilen dasselbe Schicksal: ihren Fahrer. Dessen extreme Handlungen wie langes Fahren unter Volllast oder lange Standzeiten unter falschen Bedingungen lassen beide gleichermaßen altern.

Daniel Görges forscht zu Elektromobilität an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Die gute Nachricht: "Die Praxiserfahrungen zeigen, dass die Haltbarkeit von E-Auto-Akkus größer ist als von vielen Fachleuten erwartet." Und um vieles, was des Akkus Wohlergehen betrifft, kümmere sich das Fahrzeug selbst.

Schnellladen belastet die Batterie stark

Nur wenige Dinge müssten E-Autofahrer selbst beachten: "Sie sollten nicht immer voll laden, das lässt sich bei vielen Modellen auch durch Einstellungen verhindern." Dabei wird mehr Planung verlangt als beim Verbrenner: "Wenn ich weiß, ich brauche bei der nächsten Fahrt nicht die volle Reichweite, dann sollte der nächste Ladevorgang auf 80 Prozent begrenzt werden." Am wohlsten fühle sich der Akku immer bei halb vollem Ladezustand. "Unter 20 Prozent ist auch nicht gut", rät Görges, "denn dann kommt es zu elektrochemischen Prozessen in der Batterie, die für deren Lebensdauer ungünstig sind".

Auch wenn es ums Laden an sich geht, mag es der Akku gemächlich: "Bis zu elf Kilowatt, typisch für Wallboxen und Normalladestationen, ist unkritisch, was die Alterung anbetrifft", sagt Görges. "Das Schnellladen hingegen mit 50 Kilowatt oder noch mehr belastet die Batterie deutlich. Wenn man das nicht braucht, sollte man es vermeiden." Je kleiner die Ladezustandsveränderungen, desto besser.

Nur: Hat sich der Vorbesitzer das alles zu Herzen genommen? Zwei Drittel der Neuwagen in Deutschland werden als Flotten- oder Firmenwagen angemeldet und vergleichsweise schnell als Gebrauchtwagen wieder verkauft. "Für den Erstbesitzer ist das Thema Akku-Haltbarkeit deshalb unwichtig", sagt Görges. Für Gebrauchtwagenkäufer aber ist der Gesundheitszustand ein sehr wichtiges Thema.

"Gesundheitszertifikat" nur begrenzt aussagekräftig

Das hat auch die Branche erkannt - spätestens, seit E-Gebrauchtwagen sich nicht gerade als Kassenschlager bei den Autohändlern entpuppten. Neben höherem Preis verschreckt auch die "Akku-Katze im Sack".

Vertrauen schaffen soll eine vor allem für Autos deutscher Hersteller ungewöhnlich lange Garantie: In vielen Fällen soll der Akku nach acht Jahren oder 160.000 Kilometer noch mindestens zwei Drittel Restkapazität besitzen. Mancher Hersteller spendiert sogar zehn Jahre oder bis zu einer Million Kilometer Garantie.

Ein Batteriestbericht liegt unter einem Ladestecker.

Batteriestberichte sollen unter anderem beim Kauf eines gebrauchten Elektroautos helfen. Ihre Aussagekraft ist allerdings beschränkt.

Außerdem verweisen sie auf "Akku-Gesundheitszertifikate" oder auch Tests des "State of Health", kurz SoH. Es ist ein käuferfreundliches Werkzeug, von dem Verbrennerfahrer nur träumen können: "Dabei wird ein Messverfahren angewendet, bei dem der verfügbare Batterieenergieinhalt, beziehungsweise der 'State of Health', ausgelesen wird", erklärt Jochen Tekotte, Sprecher für Nachhaltigkeit bei Volkswagen.

Indes muss er die Aussagekraft des Angebots ein wenig einschränken: "Da die Rahmenparameter zum Zeitpunkt der Bestimmung - wie Temperatur, Ladegeschwindigkeit - nicht bekannt sind, kann die Messgenauigkeit nicht garantiert werden." So steht auf dem "Batterie Health-Quicktest" eines VW-Händlers: "Das Ergebnis der Messung kann bis zu plus/minus zehn Prozentpunkte von der tatsächlichen Restkapazität abweichen."

Messwerte geben Rätsel auf

Das ist ernüchternd. Denn Fachleute raten Gebrauchtwagenkäufern, die Finger zu lassen von E-Fahrzeugen mit einem SoH von unter 80 Prozent. Mit der Messungenauigkeit verschiebt sich diese Grenze nun. Das Test-Blatt sei somit "de facto wertlos", urteilt Marcus Berger.

Er ist ein Fachmann auf dem Gebiet der Batteriediagnostik und Chef der Firma AVILOO, eines Akku-Testanbieters. Seine dabei gesammelten Erfahrungen stärken nicht gerade das Vertrauen in den E-Gebrauchtwagenmarkt: "Wir hatten schon Fahrzeuge, bei denen der SoH bei rund 40 Prozent gelegen hatte und das Batteriemanagementsystem ihn immer noch im Bereich von 90 Prozent anzeigte."

Selbst wenn Angaben stimmen, dürfte ihre Auslegung Verbrauchern Rätsel aufgeben: Schädliche Schnellladevorgänge verstecken sich unter "Anteil DC geladene Energie"; die Akkuabnutzung verrät die gesamt "geladene Energie in Kilowattstunden", indem deren Wert durch die Gesamtkapazität der Traktionsbatterie geteilt wird - aber bitte ohne den Puffer, den der Hersteller zum Schonen des Akkus vielleicht eingerichtet hat. Und vergessen Sie nicht die "Zellspannungsspreizung"!

Solche Datenblätter seien von den meisten Menschen kaum nachzuvollziehen, da stimmt auch Görges zu. "Es sollte auf wenige, entscheidende Angaben runtergebrochen werden, die leicht nachvollziehbar und verständlich sind. Exakte Messwerte sind nur für Fachleute hilfreich".

Nachweise müssen vergleichbar sein

Akku-Irrungen und -Wirrungen sehen auch die Gebrauchtwagenhändler, nur deren Lösung noch nicht. "Wir sind derzeit dabei, uns die verschiedenen Testanbieter für Hochvoltbatterien anzuschauen, um unseren Mitgliedsbetrieben eine Branchenlösung anbieten zu können", sagt Marcus Weller, Koordinator Elektromobilität beim Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe. Denn auch er sieht: "Durch einen aussagekräftigen Batteriecheck kann ein Teil der Skepsis gegenüber gebrauchten Elektrofahrzeugen genommen werden."

Das findet auch Verbraucherschützer Gregor Kolbe, Experte Verkehrsmärkte beim Verbraucherzentrale Bundesverband. "Da eine E-Autobatterie von außen nicht geprüft werden kann, sind die SoH-Nachweise so wichtig. Jedoch müssen sie vergleichbar sein." Einheitliche Testverfahren, die auch den Vergleich von E-Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglichten, müssten her: "Hersteller und Händler sollten ein Interesse daran haben, aussagekräftige und vergleichbare SoH-Zertifikate anzubieten", sagt Kolbe.

Automobilclubs versuchen sich mittlerweile auch in Unterstützung ihrer Mitglieder. "Dazu wird ein kleines Diagnosegerät an das Auto angeschlossen, und der Akku muss einmalig weitgehend leer gefahren werden", erklärt ADAC-Sprecher Micha Gebhardt. Die gesammelten Daten werden anschließend ausgewertet und ein Batterie-Zertifikat ausgestellt.

Der ADAC arbeitet dabei mit Bergers Unternehmen zusammen. Doch auch dessen Zertifikate haben noch Luft nach oben: Der SoH-Wert ist zwar sofort ersichtlich, und die Messtoleranz beträgt laut Berger bei 99 von 100 Autos gerade mal ein Prozent. Aussagen über Schnellladevorgänge oder Standzeiten aber fehlen.

Datenbasis noch zu schmal

Berger nennt einen guten Grund, warum die Verbraucherfreundlichkeit Wünsche offenlässt: die Datenbasis. Denn wenn von einem Modell nur wenige Batterie-Testergebnisse vorliegen, lässt sich das einzelne Ergebnis - ist es im Vergleich nun besonders gut oder nicht? - nicht stichhaltig genug einordnen. "Diese notwendige Datenbasis haben wir uns jedoch im Laufe des letzten Jahres mit über 50.000 durchgeführten Batterietests erarbeitet. Daher überarbeiten wir derzeit das Aviloo-Batteriezertifikat."

So verlangt das E-Auto der Branche und ihrer Kundschaft noch einige Hausaufgaben ab. Aus gutem Grund, wie der Geschäftsführer des "Allianz Zentrums für Technik" Christoph Lauterwasser sagt: "Wir haben mehr als 125 Jahre Erfahrungen mit Verbrennern, aber nur circa zehn Jahre mit modernen Elektrofahrzeugen."