Svenja Schulze
Analyse

CO2-Kompromiss für Neuwagen Ministerin Schulze in der Zwickmühle

Stand: 10.10.2018 16:21 Uhr

Bei den Verhandlungen zu neuen CO2-Grenzwerten in Brüssel konnte Umweltministerin Schulze nur verlieren. Für den Koalitionsfrieden musste sie gegen die eigene Überzeugung argumentieren.

Eine Analyse von Alex Krämer, ARD Berlin

Die Umweltministerin war in einer richtig blöden Lage - das eine wollen, am Verhandlungstisch das andere fordern. Elegant kommt man aus einer solchen Nummer einfach nicht raus.

Schulze wollte mehr

Svenja Schulze hätte gerne strengere Kohlendioxid-Grenzwerte gehabt, deutlich strengere. Sie und die Fachleute in ihrem Ministerium halten das für dringend nötig, damit Deutschland und die EU ihre Ziele beim Klimaschutz wenigstens halbwegs erreichen. Schließlich ist der Verkehr der Bereich, der am weitesten hinterherhinkt. In der Bundesregierung hat Svenja Schulze für ihre Position geworben, Wirtschafts- und Verkehrsminister waren anderer Meinung. Schon mal schlecht.

Vorbei war das Spiel dann, als sich auch die Kanzlerin positionierte und sagte: "Über minus 30 Prozent gehe ich nicht hinaus." Schulzes einzige Chance wäre es gewesen, den Streit zu eskalieren und damit in den Koalitions-Ausschuss zu gehen. Das hätte aber vorausgesetzt, dass die SPD bereit gewesen wäre, sich für die Kohlendioxid-Grenzwerte zu verkämpfen - was sie nicht war.

Keine Rückendeckung in der SPD

Erstens ist das Thema Umwelt für die Sozialdemokraten nicht besonders zentral, sie sind dichter an der IG Metall als an Greenpeace, und die Grünen können sie als Umweltpartei ohnehin nicht toppen. Und zweitens sind im Moment eine Menge Gesetzesvorhaben auf dem Weg, die der SPD wirklich wichtig sind: das Rentenpaket zum Beispiel, der soziale Arbeitsmarkt oder das "Gute-Kita-Gesetz" von Franziska Giffey. Das will die SPD nicht gefährden, und als Streithansel dastehen in der ohnehin zerstrittenen Großen Koalition auch nicht.

Also war die offizielle Position der Bundesregierung nun mal "Minus 30 Prozent" - und es war damit Schulzes Job, diese Position in den Verhandlungen zu vertreten. Auf eigene Faust abstimmen, sich einfach nicht dran halten, das wäre der beste Weg gewesen, die Koalition in die nächste Krise zu führen, und schlechter Stil noch dazu. Das haben wir vergangenes Jahr erlebt, als Agrarminister Christian Schmidt pro Glyphosat stimmte, obwohl er sich hätte enthalten müssen.

Eine Bundesregierung kann nur zusammenarbeiten, wenn alle die Regeln akzeptieren. Dass sie inhaltlich anderer Meinung war, hat Schulze allerdings nochmal betont. Das mag komisch wirken, es war aber ohnehin allen klar. So zu tun, als sei nie was gewesen, hätte mindestens genauso komisch gewirkt.

Gegen die eigene Überzeugung

Schulzes Hoffnung, dass andere EU-Länder durchsetzen, was sie wollte, nämlich strengere Grenzwerte, hat sich übrigens erfüllt. Und es besteht die Chance, dass das europäische Parlament die Grenzwerte noch einmal ein bisschen weiter verschärft. Beides war der Umweltministerin bewusst, darauf hat sie gesetzt - und darauf, dass die CO2-Beschlüsse in Brüssel noch vor der Europawahl im kommenden Jahr fallen. Denn dann könnte es im Europaparlament andere Mehrheiten geben, die Klimaschutz noch schwerer machen.

Gute Haltungsnoten bekommt man für eine solche Verhandlungstaktik nicht, sie ist öffentlich schwer zu erklären. Dass Schulze sich nichts überlegt hat, stimmt aber nicht. Für mehr hätte sie die Rückendeckung ihrer Partei gebraucht. Aber die Umweltministerin ist eben nicht bei den Grünen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. Oktober 2018 um 12:00 Uhr.