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interview

Hauptversammlung von Air Berlin Airline im Krisenmodus

Stand: 14.06.2017 11:02 Uhr

Die Hauptversammlung der hochverschuldeten Fluggesellschaft Air Berlin in London könnte turbulent werden. Für die Airline dürfte es schwer werden, die Schulden zu reduzieren, denn die erhoffte Staatsbürgschaft sei ungewiss, schätzt WDR-Luftfahrtexperte Horst Kläuser.

ARD-Morgenmagazin: Wie kritisch ist die Lage bei Air Berlin Ihrer Einschätzung nach?

Kläuser: Die ist schon relativ kritisch. Ich könnte mir vorstellen, dass in der Vorstandsetage manche Leute mehr als sonst graue Haare bekommen haben. Die Fluglinie ist vor allen Dingen im Augenblick dabei, ihren guten Ruf zu verspielen. Wenn die Passagiere ständig stehen bleiben, wenn das Gepäck nicht ankommt, wenn Flüge ausfallen, ist das für keine Fluggesellschaft gut. Und dann noch dazu die hohe Schuldenlast. Das ist ein Problem.

ARD-Morgenmagazin: Wie kann das eigentlich sein, dass im Moment so viele Flüge ausfallen oder verschoben werden, was ist das Problem?

Kläuser: Also erst einmal fehlen eine ganze Menge Flugzeuge. Die sind im sogenannten Wet-Lease, d. h. komplett mit Mannschaft und allem an die Lufthansa-Tochter Eurowings gegangen. Die sind schon nicht mehr im Flugplan und dann ist die Unruhe tatsächlich recht groß im Konzern. Einige Verbindungen sind gestrichen worden, aber viele Tickets sind verkauft worden. Man kann das nicht alles durch Umbuchungen lösen.

ARD-Morgenmagazin: Bisher zahlt der Mehrheitseigentümer Etihad, also die Fluglinie aus Abu Dhabi. Was passiert, wenn sie die Geduld verliert und den Geldhahn zudreht? Ist dann Schluss?

Kläuser: Das ist die große Frage. Etihad hat schon in der Tat sehr viel Geld investiert. Man wird wahrscheinlich nicht von heute auf morgen dieses ganze Geld verloren geben. Aber für Etihad ist vor allen Dingen wichtig, einen Fuß im europäischen Luftverkehr zu haben. Die bedienen mit den Flugzeugen von Air Berlin vor allen Dingen ihren Flughafen am Golf, um dann weiter zu verteilen ins eigene Netz nach Asien und nach Australien. Und mit Air Berlin kommen die sogenannten Slots, also die Landerechte hier in Europa. Die hat Etihad selbst nicht, die hat Air Berlin. Das ist für sie ganz ganz wichtig.

Aber es ist ja gerade gescheitert, die Air Berlin Tochter Niki zu verheiraten mit Tuifly zu einer eigenen kleinen Billig-Touristen-Linie in Europa. Und das wird es nicht geben. Das heißt, ein ganz großes, interessantes Projekt für Etihad kommt nicht.

ARD-Morgenmagazin: Auf der anderen Seite steht die Lufthansa und die sagt, wir würden Air Berlin gerne übernehmen, wenn Etihad die Schulden behält. Ist das ein realistisches Szenario?

Kläuser: Das glaube ich nicht, aber für die Lufthansa ist natürlich die Frage des Wettbewerbs entscheidend. Wenn Air Berlin tatsächlich nicht mehr als Air Berlin innereuropäisch oder innerdeutsch fliegen sollte - es gibt viele Strecken, die Air Berlin zum Beispiel nach Berlin bedient - wer rückt dann nach? Kann das die Lufthansa-Tochter Eurowings machen? Oder kommen dann die Billigflieger - entweder Ryanair oder Easyjet? Und die würden natürlich den Kuchen erheblich verkleinern. Deswegen hat die Lufthansa Interesse daran, entweder Air Berlin zu erhalten oder selbst in diese Slots einzusteigen.

ARD-Morgenmagazin: Air Berlin selber sagt zu seinen Kunden, im Moment ist es überhaupt kein Risiko, ihr könnt gerne buchen. Ihr werdet gerne mitgenommen, es passiert nichts. Stimmt das?

Kläuser: Na ja, wenn man schon mal darauf schaut, seit Anfang des Jahres sind die Reklamationen weit über 100 Prozent nach oben geschnellt. Über 3800 Kunden haben sich allein gemeldet bei einem Portal, wo man für seine Verspätung Gelder kassieren kann. 3800 Beschwerden seit Anfang des Jahres bedeutet, dass die Kunden unzufrieden sind und unzufriedene Kunden bleiben weg. Sie bekommen sicher den Flugpreis ersetzt, aber wenn sie - angenommen - Ende vergangenen Jahres gebucht haben, dann haben Sie natürlich den Frühbucher-Vorteil mit dem niedrigen Preis nicht mehr. Viele bleiben dann auf den fälligen Mehrkosten sitzen.

ARD-Morgenmagazin: Wie lange geht dieses Zittern um Air Berlin noch weiter?

Kläuser: Warten wir heute die Hauptversammlung ab, da wird man sehen, was die Großaktionäre im Köcher haben. Das kann noch eine Weile dauern. Ob die Staatsbürgschaft sowohl von den Bundesländern Berlin und Nordrhein-Westfalen als auch vom Bund kommt, da bin ich mal sehr sehr skeptisch. Viele Parteien äußern sich schon, Tenor: "Es kann doch nicht sein, dass der Staat für Schulden einer privaten Airline einspringt." Ich könnte mir vorstellen, dass es zu einer Fusion kommt. Da würden aber die Kartellrechtler sagen: "Moment Lufthansa, ihr werdet zu groß und dann werden auch die Preise steigen." Also, das Spiel ist noch nicht zu Ende.

Das Interview im ARD-Morgenmagzin mit Horst Kläuser führte Till Nassif.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Morgenmagazin am 14. Juni 2017 um 05:45 Uhr, 06:40 Uhr und 08:14 Uhr.