Joe Biden bei einer Sitzung im Weißen Haus in Washington D.C. (USA)
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US-Präsidentschaftswahl Bidens gefährliche Wette

Stand: 06.03.2024 08:01 Uhr

US-Präsident Biden will mit seiner Kandidatur eine zweite Trump-Amtszeit verhindern. Doch die Schwächen des Kandidaten Biden könnten einen Erfolg Trumps überhaupt erst ermöglichen. Es gibt aber einen Ausweg.

Joe Biden wird nicht müde, zu betonen, dass er der am besten geeignete Kandidat sei, um Donald Trump zu schlagen. Die Demokratie stehe auf dem Spiel - und er werde sie retten.

Die Neuauflage dieses Duells ist nach dem "Super Tuesday" noch wahrscheinlicher geworden - aber so gut wie niemand in den USA ist davon begeistert. Nikki Haley, die einzige noch verbliebene Gegenkandidatin Trumps, hat völlig Recht, wenn sie sagt: "Die erste der beiden Parteien, die ihren 80-Jährigen in Rente schickt, wird diese Wahl gewinnen" - obwohl Trump, fairer Weise, erst 77 ist.

Das Problem für die Demokraten ist nur: Trumps Basis wird ihn wählen, egal wie alt er ist. Auch völlig unabhängig davon, was er sagt oder tut. Auf Seiten des MAGA-Teils der Republikaner wird Trump verehrt wie ein Popstar - und das hat eine enorme Mobilisierungskraft. Und auch viele Republikaner, die skeptisch sind gegenüber Trump, werden am Ende wohl zu ihm zurückkehren, weil auch für sie Biden das größere Übel wäre.

Es kommt auf wenige Bundesstaaten an

Alles wird im November von der Wählermobilisierung in wenigen Bundesstaaten abhängen. Die "popular vote", also die meisten Stimmen landesweit, wird Biden wieder gewinnen. Aber wenn in den entscheidenden sechs "Swing States" am Ende wenige Hunderttausend Wählerinnen und Wähler zu Hause bleiben, könnte ihn das den Sieg kosten. Und Bidens Mobilisierungskraft ist mindestens ein Wackelfaktor.

In Michigan, einem Staat, den Biden gewinnen muss, sind ihm gerade mehr als 100.000 Wählerinnen und Wähler demonstrativ von der Stange gegangen, aus Protest gegen seine Haltung im Gaza-Krieg. Und das selbe Phänomen war auch am "Super Tuesday" zu beobachten. Unklar, wie viele von ihnen im November zu ihm zurückkehren.

Und dann ist da auch noch sein Alter. Dabei ist völlig egal, wie fit und leistungsfähig Biden tatsächlich ist. Entscheidend wird sein, wie er wahrgenommen wird. Und da sagen in einer neuen Umfrage acht von zehn Wählerinnen und Wähler in den "Swing States", er sei zu alt.

Ein warnendes Beispiel - und eine Möglichkeit

Ein Beispiel aus der jüngeren Zeit sollte Biden deutlich machen, welche Folgen es haben kann, wenn man den richtigen Zeitpunkt zum Abschied verpasst. Er sollte sich erinnern an Ruth Bader Ginsburg, liberale Richterin am obersten Gerichtshof, Ikone der Linken. Viele hatten gehofft, dass sie, bereits über 80, in der Obama-Ära zurücktreten würde, um ihm zu ermöglichen, eine neue liberale Richterin zu ernennen. Sie blieb und verstarb 2020 in der Amtszeit von Trump - der ihren Platz auf Lebenszeit mit einer jungen konservativen Richterin besetzte. Bis heute ist das ein Stachel im Fleisch der Demokraten.

Und es gäbe auch jetzt noch einen Ausweg für Biden. Die Vorwahlen müssten wie geplant weiterlaufen. Aber kurz vor dem Nominierungsparteitag der Demokraten im August könnte er beiseite treten. Eigentlich müssten dort die Wahlleute, deren Stimmen er bei den Vorwahlen einsammelt, für ihn votieren. Doch ohne ihn wäre der Parteitag eine "open convention", eine offenen Versammlung, in der sich andere Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren und um die Stimmen der Wahlleute werben könnten.

Die Risiken - und Chancen

Ja, das wäre riskant, weil dem oder der Neuen kaum Zeit bliebe, im Land für sich zu werben. Es könnte aber auch eine große Chance sein, eine Begeisterung auslösen auf Seiten der Demokraten, dem Wahlkampf Schwung geben. Jemand Jüngeres, Frischeres würde über Wochen die Schlagzeilen dominieren. Genau das könnte auch diejenigen mobilisieren, die sich gerade von Biden abwenden. Und Mobilisierung im eigenen Lager wird, wie gesagt, der entscheidende Faktor sein.

Die Anti-Trump-Stimmen, auf die Biden setzt, bekäme auch jede und jeder andere demokratische Kandidat. Zum Beispiel Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom oder Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer. Vielleicht reichen diese Anti-Trump-Stimmen am Ende auch Biden selbst für eine zweite Amtszeit. Noch ist das Rennen offen. Aber es ist ein Vabanquespiel. Warum dieses Risiko eingehen, wenn es, wie Biden selbst sagt, bei dieser Wahl um alles geht?

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 06. März 2024 um 09:00 Uhr.