Kritik an Tihange Belgiens AKW und das Kongo-Uran

Stand: 01.02.2018 16:30 Uhr

Seit Jahren gibt es massive Kritik aus Deutschland an der Sicherheit belgischer Atomkraftwerke. In Belgien reagiert man zunehmend genervt auf diese Vorwürfe - und das hat auch historische Gründe.

Beinahe allergisch reagieren Belgiens Atomaufsichtsbehörde Fanc und die Leitung des Kernforschungszentrums in Mol mittlerweile auf deutsche Kritik an den Atommeilern in Doel und Tihange. Denn die dort arbeitenden Atomexperten sehen sich selbst als die strengsten Kontrolleure in der EU. Tausende Haarrisse in den belgischen Reaktordruckbehältern von Tihange 2 und Doel 3 seien schließlich durch ihre aufwändigen, jahrelangen Analysen entdeckt worden. Und ebenso die acht sogenannten Precursor-Vorfälle in Tihange 1 zwischen 2013 und 2015 - jene Zwischenfälle, die unter bestimmten Bedingungen zu schweren Schäden am Reaktorkern führen können und über die Belgiens Atomaufsicht das deutsche Bundesumweltministerium informiert hat.

Begriff "Schrottreaktor" nicht angemessen?

"Wir wissen genau, was Sache ist und können guten Gewissens sagen, die Situation ist unter Kontrolle. Belgiens Reaktoren sind zwar alt, doch es geht keine Gefahr von ihnen aus" - so die Argumentation der belgischen Atomaufsicht. Den Begriff "Schrottreaktoren" betrachtet der Leiter des Kernforschungszentrums Mol, Eric van Walle, deshalb auch als völlig unangemessen. Van Walle hat zunehmend weniger Lust auf Expertendiskussionen in Deutschland, weil er kaum noch eine Chance sieht, dass seine Argumente dort vorurteilsfrei diskutiert und ernst genommen werden.

Kaufvertrag über 1200 Tonnen Uran

Die belgische Aversion gegen Kritik aus Deutschland hat auch historische Gründe. Diese hängen mit einem großen Atom-Deal zusammen. Der Kaufvertrag über 1200 Tonnen atomwaffentaugliches Uran wurde 1942 zwischen Belgien und den USA in Manhattan abgeschlossen. Beteiligt waren ein Unterhändler von US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der belgische Direktor der Katanga-Minen, Edgar Sengier. Ohne das belgische Kongo-Uran hätten die Amerikaner die Atombombe von Hiroshima nicht in so kurzer Zeit bauen und den Zweiten Weltkrieg auch nicht so rasch beenden können. So zumindest die belgische Selbstwahrnehmung.

Symbol für belgischen Kampf gegen Nazi-Deutschland

Die Dollars aus dem US-Uran-Deal mit dem Königreich Belgien flossen später auch in den Aufbau des Kernforschungszentrums in Mol und in die Reaktoren von Doel und Tihange. Für die Deutschen sind es "Schrottreaktoren". Für viele Belgier hingegen sind die Atomreaktoren auch späte Symbole der Befreiungsgeschichte des Königreichs und des belgischen Kampfes gegen die Deutschen im Zweiten Weltkrieg.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 01. September 2017 um 20:00 Uhr.