Martin Schulz
Hintergrund

Neuer SPD-Kanzlerkandidat Kann Schulz Kanzler?

Stand: 25.01.2017 15:09 Uhr

Martin Schulz bekam von seiner Fraktion viel Lob: Er sei der beste Kanzlerkandidat für die SPD. Man traut ihm zu, dass er die Aufgabe meistert. Aber könnte Schulz auch regieren? In welchen Bereichen liegen Stärken, in welchen Schwächen?

Von Sabine Müller, ARD Berlin

Von Sabine Müller, ARD-Hauptstadtstudio

Führungsqualitäten:

Kein Problem, die hat Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident zur Genüge beweisen. Er hat diese Position geschickt aufgewertet. Es sagt viel über seine Chuzpe aus, dass er einfach so lange bei EU-Gipfeln der Staats- und Regierungschefs auftauchte, bis er ein fester Bestandteil dieser Treffen war und immer mitreden durfte. Der 61-Jährige ist extrem selbstbewusst. Als er gestern gefragt wurde, seit wann er wisse, dass er der Beste für die SPD sei, warf Sigmar Gabriel ein: "Schon immer".

Teamplayer-Qualitäten:

Es gibt durchaus Leute, die sagen, Schulz arbeite zu viel in eigener Sache, sei zu wenig Teamplayer. In der SPD wurde sehr genau registriert, dass er im letzten Herbst ein regelrechtes Schaulaufen in Sachen Kanzlerkandidatur veranstaltete. Später nahm er sich aber zurück und wartete brav ab, bis andere Spitzenpolitiker Gabriel bearbeitet hatten und er zum Zug kam.

Trittsicherheit auf der internationalen Bühne:

"Mister Europa" weiß genau, wie man sich auf dem Parkett der Weltpolitik bewegt. Er ist mit vielen Spitzenpolitikern bestens bekannt, in Brüssel hatte er tagtäglich mit den Mächtigen und Wichtigen zu tun. Gerne bewies er dabei, dass er sechs Sprachen spricht: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch. Diese Aufgabe meistert Schulz mit Leichtigkeit.

Regierungserfahrung:

Das ist die große Schwachstelle von Schulz. Seine Fans wie SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel versuchen jetzt zwar, die Zeit in den 1980er und 1990er-Jahre als Bürgermeister im Städtchen Würselen mit 37.000 Einwohnern als quasi beste Vorbereitung aufs Kanzleramt zu verkaufen: "Er ist vor allem auch als ehemaliger Bürgermeister unmittelbar damit vertraut, was vor Ort passiert." Netter Versuch, aber das Manko lässt sich nicht wegdiskutieren.

Sympathie-Faktor:

Der Faktor ist hoch. Schulz‘ Umfragewerte sind gut. Seine schlagfertige, humorvolle und teils leidenschaftliche Art kommt an. Und seine Lebensgeschichte bringt ihm Bonuspunkte ein: Vom schlechten Schüler ohne Abi, der den Traum vom Profifußball wegen einer Knieverletzung aufgeben musste und ein Alkoholproblem hatte, über die Buchhändlerlehre, das Bürgermeisteramt bis zur Karriere im EU-Parlament - Schulz verkörpert die klassische SPD-Story vom sozialen Aufstieg.

Motivationspotenzial:

Sehr gut. Ein Martin Schulz in Hochform ist rhetorisch brillant und reißt mit seinen Reden ganze Säle mit. Und man sagt ihm nach, sehr überzeugend zu sein. Der kann eine Nonne aus dem Kloster quatschen, heißt es. Mit Emotion und einer guten Prise rheinischem Humor machte er Brüssel für viele Bürger wieder lebendiger und nahbarer.

Fazit:

Trotz der mangelnden Regierungserfahrung - Schulz könnte sicher Kanzler. Aber ob er das jemals unter Beweis stellen darf? Die aktuellen Umfragen lassen das jedenfalls nicht vermuten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 24. Januar 2017 um 22:30 Uhr.