Der Verteidigungsausschuss des Bundestags
analyse

Verteidigungsausschuss Was folgt nach dem möglichen Geheimnisverrat?

Stand: 18.03.2024 18:01 Uhr

Aus geheimen "Taurus"-Beratungen des Verteidigungsausschusses sind Informationen an die Öffentlichkeit gelangt. Jetzt wird wegen Geheimnisverrats ermittelt. Fälle dieser Art häufen sich.

Eine Analyse von Sarah Beham und Uli Hauck, ARD Berlin

Der Vorwurf lautet Geheimnisverrat. Aus dem geheimen Teil einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zur möglichen Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern an die Ukraine sollen Informationen an das Portal t-online weitergegeben worden sein. Inhaltlich ging es dabei um technische Details zur Zieldatenplanung der Marschflugkörper.

Die Vorsitzende des Ausschusses, FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat dazu am Freitag einen Brief auf den Weg gebracht. Adressatin des Schreibens: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Die SPD-Politikerin wird nun offiziell die Ermächtigung erteilen, damit der mutmaßliche Geheimnisverrat aufgeklärt werden kann. Das teilte die Bundestagsverwaltung dem ARD-Hauptstadtstudio auf Anfrage mit.

Dass Bundestagspolizei und Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung wegen Geheimnisverrats aufnehmen, ist dabei für den Verteidigungsausschuss kein Novum. Allerdings hätten sich die Fälle in dieser Legislaturperiode gehäuft, sagt der erfahrene SPD-Verteidigungspolitiker Wolfgang Hellmich.

Er spricht von etwa neun bis zehn Fällen in dieser Legislaturperiode, im Vergleich zu etwa drei Fällen in der vorherigen. Dass die Strafverfolger den Schuldigen finden, ist aber eher unwahrscheinlich. Hellmich hat die Erfahrungen gemacht: "Da ist nie etwas dabei rausgekommen."

Schwierig dürfte es auch werden, weil mittlerweile bekannt ist, dass 105 Personen an der Sitzung des Verteidigungsausschusses am vergangenen Montag teilgenommen haben. Darunter waren neben Abgeordneten und deren Mitarbeitern auch zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung und von Landesvertretungen. Allein die Menge an Personen, die im Saal waren, macht es aus Sicht von Wolfgang Hellmich ermittlungstechnisch schwierig, überhaupt den Verräter zu finden.

Bas kritisierte Strack-Zimmermann wegen der Teilnehmerzahl. Bei Sitzungen, in denen geheime Informationen weitergegeben würden, sollte der Kreis möglichst klein gehalten werden, sagte sie der "Welt". Das sei mit den Vorsitzenden aller sicherheitsrelevanten Ausschüsse vereinbart. "Wenn ich höre, dass an der besagten Sitzung 105 Leute teilgenommen haben, dann kann ich mich nur darüber wundern, dass die Vorsitzende dies zugelassen hat", sagte Bas. Es sei ihr unbegreiflich, wie so Vertraulichkeit gewahrt sein solle.

Sicherheitsvorkehrungen haben nichts genützt

Für "geheim" eingestufte Sitzungen gibt es mehrere Sicherheitsvorkehrungen. So müssen nach Hellmichs Angaben Laptops, Uhren und Handys während der Unterrichtung abgegeben und eingeschlossen werden. Zudem sind Mitschriften verboten. Und Mitarbeiter mit Zugangsrecht zum Verteidigungsausschuss müssen sich sicherheitsüberprüfen lassen.

Dabei gibt es grundsätzlich drei Stufen. Für den Verteidigungsausschuss gilt die sogenannte erweiterte Sicherheitsüberprüfung der Stufe 2 ("Ü2"). Zuständig ist das Bundesamt für Verfassungsschutz.

"Geheim"-Einstufung als Druckmittel der Regierung

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Das heißt, die Abgeordneten müssen Einsätze genehmigen und entsprechend auch vom Verteidigungsministerium informiert werden. Dabei werden aber auch in "geheim" eingestuften Sitzungen regelmäßig Dinge erzählt, die nicht zwangsläufig geheim, sondern auch öffentlich zugänglich sind.

So lassen sich auch im konkreten "Taurus"-Fall viele technische Details zur Missionsplanung schon lange öffentlich im Internet finden. Nicht alles, was Generalinspekteur Carsten Breuer deshalb über technische und operative Verfahren zur Programmierung des "Taurus" erzählt hatte, dürfte also neu und damit streng geheim gewesen sein.

Wenn dann allerdings eine Sitzung des Verteidigungsausschusses als "geheim" eingestuft ist, sind der Opposition die Hände gebunden. Denn je mehr vermeintlich "geheime" Informationen seitens der Regierung "verraten" werden, desto weniger können die Abgeordneten darüber in der Öffentlichkeit berichten.

Die "Taurus"-Diskussion geht weiter

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich am Wochenende für Aufklärung ausgesprochen. "Geheimnisverrat ist etwas, was nicht stattfinden darf", sagte er am Samstag mit Blick auf den Verteidigungsausschuss.

Allerdings hielt sich zuletzt auch Scholz selbst mit schwerwiegenden Andeutungen nicht zurück, als er sein Nein zu einer "Taurus"-Lieferung an die Ukraine begründete. In Großbritannien war man wenig erfreut, als der Kanzler vor drei Wochen sagte: "Das, was die Briten und Franzosen an Zielführung und Zielbegleitung machen, kann Deutschland nicht leisten."

Damit hatte der Kanzler ziemlich unverblümt angedeutet, dass Paris und London Truppen im Kriegsgebiet stationiert haben. Darüber wurde zwar schon lange spekuliert, in Großbritannien war trotzdem davon die Rede, dass Scholz Geheimdienstinformationen missbraucht habe, um sein "Taurus"-Nein zu begründen.

Trotz der Ermittlungen und der "geheimen" Informationen im Verteidigungsausschuss geht die politische "Taurus"-Debatte in Berlin munter weiter. CDU und CSU, aber auch Grüne und Liberale sind von den bisherigen Argumenten der Regierung weiterhin nicht überzeugt. Und die FDP-Fraktion will jetzt das direkte Gespräch mit dem Kanzler suchen. Der dürfte aber weiterhin bei seinem Nein für "Taurus"-Lieferungen an die Ukraine bleiben.

Sarah Beham, ARD Berlin, tagesschau, 18.03.2024 15:03 Uhr