FAQ

Fall Susanna Eine bekannte Sicherheitslücke

Stand: 09.06.2018 14:47 Uhr

Inzwischen ist der Tatverdächtige im Fall Susanna gefasst. Doch wie konnte er mit falscher Identität ein Flugzeug besteigen? Und wie läuft das Auslieferungsverfahren? tagesschau.de klärt wichtige Fragen.

Wie konnte der Tatverdächtige mit falschen Flugtickets ausreisen?

Die Bundespolizei überprüft am Flughafen lediglich, ob ein Ausreisender im Fahndungscomputer steht und ob er gültige Reisedokumente besitzt. Doch zum Zeitpunkt der Ausreise am 2. Juni war der 20-jährige Iraker noch nicht zur Fahndung ausgeschrieben. Zudem hatten er und sieben weitere Familienmitglieder sich legal Passersatzdokumente besorgt, sogenannte Laissez-passer-Papiere. Die konnte in diesem Fall nur die irakische Botschaft ausgestellt haben, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiesbaden im Gespräch mit tagesschau.de.

Auch die Fluggesellschaften müssen beim Boarding nicht unbedingt die Pässe kontrollieren. Dass die falschen Namen des Verdächtigen und seiner Familie auf den Flugtickets niemandem aufgefallen sind, ist also nicht verwunderlich. Kontrolliert werden die Pässe von den Fluggesellschaften nur dann, wenn das Zielland dies vorschreibt, so zum Beispiel bei den USA. "Im Falle von Flügen in die Türkei oder auch nach Erbil im Irak kontrollieren wir das grundsätzlich nicht", sagt ein Lufthansa-Sprecher gegenüber tagesschau.de.

"Das ist eine altbekannte Sicherheitslücke", sagt ARD-Sicherheitsexperte Götschenberg. Bei Flügen innerhalb der EU sei beispielsweise grundsätzlich keine Kontrolle der Pässe vorgeschrieben. "So weiß man letztlich nie genau, wer eigentlich ins Flugzeug eingestiegen ist."

"Wenn Fluggesellschaften dennoch Pässe von Reisenden kontrollieren, obwohl die Einreisebestimmungen des Ziellandes das nicht vorschreiben, hat das eher etwas mit dem eigenen Hausrecht zu tun", sagt Luftfahrtexperte Elmar Giemulla zu tagesschau.de. "Manche wollen einfach in eigenem Interesse wissen, ob der Vertragspartner auch derjenige ist, der das Flugzeug besteigt." Beispielsweise, wenn jemand Hausverbot hat, weil er mal auf einem Flug betrunken randaliert habe oder ähnliches.

Wieso saß der polizeibekannte Ali B. nicht schon vorher im Gefängnis?

Ali B. war den Behörden zwar schon vor dem Fall Susanna bekannt, wegen eines Raubüberfalls mit einem Messer, Schlägereien in der Wiesbadener Innenstadt, Pöbeleien gegenüber einer Polizistin und wegen des Verdachts, ein 11-jähriges Flüchtlingsmädchen vergewaltigt zu haben. Der Verdacht der Vergewaltigung ließ sich aber nicht erhärten. Laut Behörden hätten die Taten eine Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt, sagt ARD-Korrespondent Sebastian Kisters.

Wie läuft das Auslieferungsverfahren?

Es gibt kein Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und dem Irak, dennoch sind in Einzelfällen Auslieferungen möglich. Horst Seehofer hatte am Rande der Innenministerkonferenz in Quedlinburg erklärt, "nach den internationalen Regeln" seien mit Hilfe von Polizei und Auswärtigem Amt alle nötigen Anträge gestellt worden.

Nach Recherchen des ARD-Sicherheitsexperten Michael Götschenberg gibt es keinen generellen Auslieferungsverkehr mit dem Irak, weil das das Problem der Gegenseitigkeit aufwerfen würde. Deutschland müsste dann also ebenfalls bereit sein, in den Irak auszuliefern. Wegen der mangelnden Rechtsstaatlichkeit und der drohenden Todesstrafe dürfte das allerdings schwierig sein.

Könnte Ali B. im Irak der Prozess gemacht werden?

Einen Antrag, dem 20-Jährigen in seinem Heimatland den Prozess zu machen, kann Deutschland nicht stellen. Und zwar ebenfalls wegen der dort drohenden Todesstrafe, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Wenn Deutschland die Lage im Irak generell so beurteilt, dass dorthin nicht ausgeliefert werden kann, dann kann man auch die Strafverfolgung nicht dorthin abgeben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 08. Juni 2018 um 16:00 Uhr.