Karl Lauterbach

Brief an Lauterbach und Drosten Die Hürden für Drohungen sinken

Stand: 27.05.2020 19:57 Uhr

Der SPD-Politiker Lauterbach und der Virologe Drosten werden in einem anonymen Schreiben bedroht. Nach Einschätzung des BKA häufen sich solche Fälle. Die Täter seien oft nur schwer zu ermitteln.

Von Christopher Jähnert, ARD Berlin

Von Christopher Jähnert, ARD-Hauptstadtstudio

Ein Paket mit einer Flüssigkeit, dabei ein Zettel mit der Aufschrift "Trink das - dann wirst du immun" - adressiert an den SPD-Politiker Karl Lauterbach, der in der Corona-Diskussion eher strikte Positionen vertritt.

Auch der Chef-Virologe der Charité, Christian Drosten, sagt, er habe so ein Paket bekommen. Aber damit nicht genug. Lauterbach sagt, er habe auch noch eine weitere Karte bekommen. Mit einem Kreuz, seinem Namen und dem Hinweis, er solle auf seine Familie aufpassen.

Die Vermutung ist, dass hinter der Karte die sogenannte Incel-Bewegung steckt. Eine Internet-Subkultur von Männern, die keinen richtigen Kontakt zu Frauen haben - unfreiwillig. Und deshalb einen Hass entwickeln und selbst aber der Meinung sind, sie hätten Anspruch auf Sex. Lauterbach aber hatte kürzlich gefordert, Bordelle zu schließen. Bei den Paketen ist noch unklar, wer sie verschickt hat.

BKA: Drohungen häufen sich

In der Regel ist das genau wie bei Droh-Mails auch schwierig rauszufinden, sagt der Chef des Bundeskriminalamts Holger Münch. "Viele von denen beherrschen auch das Thema Kryptierung, insofern ist das nicht so leicht. Und ganz konkret haben wir aktuell mehrere solcher Drohschreiben - es sind ja nicht alles Briefe, es sind ja häufig auch Mails - die wir uns natürlich alle sehr sorgsam anschauen."

Solche Drohungen, gerade gegen Politiker, häufen sich, sagt Münch. Und die Liste derer, die Erfahrungen gemacht haben, wird tatsächlich immer länger: Thüringens CDU-Chef Mike Mohring oder auch der SPD-Politiker Karamba Diaby. Sie beide sind in jüngster Zeit bedroht worden.

"Das macht was mit einem"

Auch die Grünen-Politikerin Ricarda Lang macht häufiger solche Erfahrungen. "Das fängt an bei vermeintlich gut gemeinten Gesundheitsratschlägen, aber geht weiter zu relativ krassen Beleidigungen. Von 'hässlich, widerlich, fett' zu Vergewaltigungdrohungen, zu sehr detaillierten Beschreibungen, wie Menschen einen gerne umbringen würden. Und das macht was mit einem."

Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung beobachtet das kritisch. Er sagt, dass sich so etwas leicht hochschaukelt - und dann eben auch in den Bereich außerhalb des Internets eingreift. Beispiel sei der Mord an Walter Lübcke. "Das ist etwas, was sich am Anfang recht unbedarft mit Kritik an Lübcke aufgebaut hat, und dann zwar online verbreitet wird, aber sich dann offline auch durchaus radikalisiert und offline dann eben auch im realen Leben Ergebnisse zeigt, bis hin zum Mord."

Klima scheint rauer zu werden

Wichtig sei deshalb, dass man rechtzeitig gegensteuere. Und gerade im wissenschaftlichen Betrieb sich auch mit Kollegen solidarisiere. Lühmann hat das per Twitter schon getan. Für den Virologen Drosten ist das Thema Beleidigung und Drohung auch nichts Neues.

Er hat schon vor längerem in seinem Podcast gesagt, dass er sich davon nicht einschüchtern lassen wolle. "Man schaut mit sehr hoher Wertschätzung nach Deutschland und man fragt sich: 'Wie haben die Deutschen das geschafft?'. Und ich sehe es nicht ein, dass wir das jetzt über Bord schmeißen. Das ist der Grund, warum ich weitermache."

Das Klima jedenfalls scheint weiter immer rauer zu werden - nicht nur für Wissenschaftler, sondern gerade für Politiker. Das zeigen auch neueste Zahlen aus dem Innenministerium zu politisch motivierter Gewalt. Die Hürden, Menschen zu bedrohen und zu beschimpfen scheinen für viele niedriger zu werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR5 Aktuell am 27. Mai 2020 um 17:03 Uhr.