Eine Gittertür versperrt den Eingang eines Schmuckgeschäftes, nebenan hat eine Apotheke dagegen geöffnet

Experten zu Corona "Shutdown" bis Ostern empfohlen

Stand: 22.03.2020 10:45 Uhr

Die Nationale Akademie der Wissenschaft Leopoldina hat einen dreiwöchigen “Shutdown” empfohlen. Einkäufe und Spaziergänge mit Abstand sollten aber möglich bleiben. Das meinen auch andere Forscher.

Die von der Bundesregierung und den Bundesländern ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der aktuellen Coronavirus-Pandemie seien "derzeit dringend erforderlich und entsprechen der durch die Pandemie ausgelösten Bedrohung". Das meinen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen in einer Stellungnahme, die die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina am Samstag veröffentlicht hat.

Die Forschenden sprechen sich für einen strategischen "Dreiklang" aus: Eindämmung der Epidemie, Schutz der vulnerablen (also besonders gefährdeten) Bevölkerung sowie einer gezielten Kapazitätserhöhung im medizinischen Versorgungssystem. Für die Wirksamkeit und Notwendigkeit einiger dieser Maßnahmen gebe es wissenschaftliche Hinweise, andere wurden aufgrund von Hochrechnungen und politischen Überlegungen vorgeschlagen.

Spaziergänge von Familien empfohlen

Höchste Priorität habe die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen. Es deute sich zudem an, dass "zum  jetzigen Zeitpunkt ein deutschlandweiter temporärer 'Shutdown' (ca. drei Wochen) mit konsequenter räumlicher Distanzierung aus wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert" sei. Mit "Shutdown" ist gemeint, dass das öffentliche Leben "heruntergefahren" wird.

Dabei müssten aber "notwendige und gesundheitserhaltende Aktivitäten", beispielsweise Spaziergänge im Familienkreis oder Joggen, weiterhin möglich bleiben. Entscheidend sei "eine disziplinierte räumliche Distanzierung von Personen von zwei Metern, insbesondere, wenn sie nicht in einem Haushalt wohnen".

Die Zeit des "Shutdowns" müsse genutzt werden, um "pharmazeutische Interventionen und Schutzmaßnahmen im öffentlichen Raum verfügbar" zu machen, dazu gehören auch "Kapazitäten zur Testung von Verdachtsfällen und Einreisenden". Außerdem müssten Vorbereitungen für "das kontrollierte und selektive Hochfahren des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft getroffen werden".

"Weniger einschneidende Mittel"

Der Virologe Alexander Kekulé meint, eine "bundesweite Ausgangssperre wäre epidemiologisch unbegründet, wirtschaftlich desaströs und eine soziale Katastrophe". Es gebe "weniger einschneidende, aber genauso wirksame Mittel".

Im MDR-Podcast sagte der Virologe, es sei seines Erachtens nach "nicht richtig, dass westliche Demokratien sich das Verfahren eines totalitären Staates zu eigen machen, sondern wir brauchen eine eigene, demokratische, westliche Herangehensweise an dieses Problem". Es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn Familien gemeinsam an die frische Luft gingen, betonte er.

"Anfangsdaten"

Der Virologe Christian Drosten sagte im NDR-Podcast, es gebe "keine wissenschaftlichen Daten, die sagen, dass man eine Ausgangssperre braucht". Drosten sprach von "Anfangsdaten zu all diesen Maßnahmen, aber am Ende sind all diese Dinge politische Entscheidungen". 

Der Präsident des Weltärzteverbandes, Frank Ulrich Montgomery, betonte bereits am Mittwoch, er halte Ausgangssperren nicht für ein geeignetes Mittel. "Wer so etwas verhängt, muss auch sagen, wann und wie er es wieder aufhebt", sagte Montgomery der "Rheinischen Post". Zudem habe sich in Italien gezeigt, dass dieses Mittel nicht funktioniere. Das Land habe Ausgangssperren verhängt und damit einen gegenteiligen Effekt erzielt, gab der frühere Präsident der deutschen Ärztevereinigung Marburger Bund zu bedenken. Ausgangssperren seien eher eine "politische Verzweiflungsmaßnahme".

Italien schließt Betriebe

Italien hatte zwar eine Ausgangssperre verhängt, viele Unternehmen liefen aber weiter. Nun hat die Regierung entschieden, dass alle nicht lebensnotwendigen Betriebe schließen müssen.

In Deutschland beraten heute Regierung und Bundesländer über eine mögliche bundesweite Ausgangssperre.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 22. März 2020 um 12:00 Uhr.