Spannungen um Zitat zu Deutschen und Türken Deutscher EU-Diplomat fühlt sich falsch verstanden

Stand: 21.05.2016 10:29 Uhr

Es ist eine kleine Äußerung, aber sie hat das Zeug, zu einer massiven Verstimmung zu führen. Wegen einer Bemerkung zum Verlauf der Visaverhandlungen bestellte die Türkei den deutschen EU-Diplomaten Haber ein. Dieser fühlt sich missverstanden.

Hansjörg Haber ist ein erfahrener Diplomat. Umso mehr wundert sich der derzeitige Leiter der EU-Delegation in Ankara, wie ein harmlos gemeinter Satz gegenüber Journalisten nun eine diplomatische Krise ausgelöst hat.

Mit Blick auf die Visaverhandlungen hatte der Diplomat erklärt: "Wir haben ein Sprichwort: Wie ein Türke beginnen und wie als Deutscher beenden. Hier läuft es umgekehrt." Die türkische Regierung sah darin eine Beleidigung der türkischen Nation und bestellte Haber am Dienstag offiziell zum Rapport ins Außenministerium. Dem EU-Botschafter sei mitgeteilt worden, dass man über diese Äußerung empört sei und sie verurteile, hieß es anschließend aus türkischen Regierungskreisen.

Schon vor der offiziellen Rüge hatte der türkische EU-Minister Volkan Bozkir den deutschen Diplomaten scharf angegriffen und indirekt seinen Rücktritt verlangt: "Ich erwarte von EU-Botschafter Haber, der stolz ist, ein Deutscher zu sein, dass er die Sache erklärt oder das Notwendige tut."

Hansjörg Haber

Wurde ins türkische Außenministerium einbestellt: der EU-Diplomat Haber. (Archivbild)

Ein Ausdruck von Wertschätzung?

Die Einbestellung Habers ist eine vergleichsweise scharfe diplomatische Reaktion. Der Diplomat bestätigte auf Nachfrage von tagesschau.de zwar die umstrittene Äußerung. Er habe sie aber in einem positiven Sinne gemeint: als Wertschätzung für die bereits geleistete Arbeit und um den Optimismus auszudrücken, dass die Visavereinbarung noch fristgerecht bis zum 30. Juni ausgehandelt werden könne.

Als Beleg, dass das zitierte Sprichwort nicht beleidigend gemeint sei, verweist Haber auf eine Stellungnahme des früheren türkischen EU-Ministers Egemen Bagis, in der dieser die Redewendung ebenfalls in positiven Kontext aufgreift.

Also alles nur ein Missverständnis? Dann scheint es zumindest nicht gelungen zu sein, es auszuräumen. Sonst hätte die Regierung sicher weniger Wert darauf gelegt, die scharfe diplomatische Rüge gegen Haber auch öffentlich zu machen. Sie wurde gestern Abend entsprechend breit in den überwiegend regierungsnahen türkischen Medien verbreitet.

Die Differenzen bleiben bestehen

Haber ging gegenüber tagesschau.de nicht auf den Inhalt des Gesprächs im Außenministerium ein, benutzt aber auch danach noch den Präsens, wenn er einräumt: "Die Türken behaupten nun, er (der Satz) sei rassistisch, etc."

Auch die Sprecherin der EU-Kommission gab am Mittag keinen Hinweis, dass mit dem gestrigen Termin in Ankara der Konflikt ausgeräumt sei. Haber habe die bekannte EU-Haltung zur Flüchtlings-Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei erläutert und seine Bemerkungen klargestellt, hieß es. Auf Details ging die Sprecherin auch auf Nachfrage nicht ein.

Harte Reaktion auf eine gängige Redewendung

Der diplomatische Eklat zeigt, wie angespannt das Verhältnis zwischen der türkischen Regierung und der EU ist. Brüssel besteht auf der vollständigen Erfüllung von 72 Kriterien für die Einführung der Visafreiheit. Die Türkei verweigert dagegen vor allem Zugeständnisse bei den umstrittenen Antiterrorgesetzen, die sich auch gegen kritische Journalisten und Oppositionelle richten.

Mit dem Streit um die Visafreiheit steht aber auch das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei auf dem Spiel. Und so bekommt die missverständliche Äußerung eines erfahrenen Diplomaten, die unter anderen Umständen nur für eine politische Posse taugen würde, plötzlich das Zeug zu einer Staatsaffäre.