
Reaktionen auf Angriff Die Welt ist gespalten
Stand: 15.04.2018 04:33 Uhr
"Verbrechen" oder "legal und richtig"? Die Reaktionen auf den Militärschlag in Syrien sind unterschiedlich. Präsident Putin warnte vor einer Verschärfung des Konflikts. Präsident Trump schrieb: "Mission erfüllt!"
US-Präsident Donald Trump hat den Militärschlag gegen Syrien als "perfekt durchgeführten Luftschlag" gelobt. Auf Twitter schreib er: "Mission erfüllt!" Trump bedankte sich bei den Alliierten Großbritannien und Frankreich. Das Ergebnis hätte nicht besser sein können.
Russland verurteilte die Raketenangriffe auf Syrien auf das Schärfste. Präsident Wladimir Putin forderte eine Krisensitzung des UN-Sicherheitsrates. Der Angriff der USA und ihrer Verbündeten werde die humanitäre Katastrophe in Syrien verschärfen, erklärte er. Der Militärschlag habe einen "destruktiven Einfluss auf das gesamte System der internationalen Beziehungen", erklärte Putin.
Angriffe auf Ziele in Syrien
tagesthemen 23:45 Uhr, 14.04.2018, Jan Philipp Burgard, ARD Washington

Mutmaßlich 42 Menschen getötet
Putin kritisierte die USA, Frankreich und Großbritannien dafür, den Militärschlag verübt zu haben, ohne abzuwarten, dass internationale Inspektoren der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) Duma besichtigt hätten. Diese Besichtigung soll heute stattfinden.
In der Stadt Duma in der Region Ost-Ghouta hatte es am 7. April einen mutmaßlichen Giftgasangriff gegeben. Dabei sollen mindestens 42 Menschen getötet worden sein. Mehr als 500 Menschen wurden demnach in Krankenhäusern behandelt. Der Westen macht die syrische Staatsführung für den Angriff verantwortlich, die syrischen Verbündeten Russland und Iran weisen das vehement zurück.
"Angriff ohne rechtmäßigen Grund"
Nach Ansicht des russischen Außenpolitikers Konstantin Kossatschow sollen die Bombardements die Arbeit der Chemiewaffenexperten der OPCW erschweren. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit versucht man die Arbeit der OPCW-Mission zu stören oder sogar ganz zum Scheitern zu bringen", sagte der Vorsitzende des Außenausschusses im russischen Parlament der Agentur Tass zufolge.
Das Bombardement sei eine ungeheuerliche Verletzung des Völkerrechts, sagte Kossatschow. "Es ist ein Angriff auf einen souveränen Staat ohne rechtmäßigen Grund."
Außenministerium: Keine Beweise für Giftgasangriff
Das russische Außenministerium warf den drei westlichen Staaten vor, den Friedensprozess in Syrien zu gefährden. Der Angriff sei zu einem Zeitpunkt geschehen, als Syrien endlich eine echte Chance auf Frieden bekommen habe, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa.
Es gebe weiterhin keine Beweise für den mutmaßlichen Giftgasangriff auf die Stadt Duma, so Sacharowa. Sie verglich die Situation mit dem Angriff auf den Irak 2003. Damals marschierten US-Soldaten mit der Begründung ein, dass die irakische Regierung über Massenvernichtungswaffen verfüge. Diese wurden nie gefunden.
Chamenei: Trump, Macron und May "Verbrecher"
Irans oberster Führer Ali Chamenei kritisierte die Angriffe der USA, Frankreichs und Großbritanniens scharf. "Ich sage es ganz offen: Die Angriffe waren ein Verbrechen und die drei an den Angriffen beteiligten Regierungschefs sind dementsprechend Verbrecher", so Chamenei.
Auch die iranische Regierung verurteilte die Luft- und Raketenangriffe. Diese seien ein klarer Verstoß gegen internationale Vorschriften. Der Iran verurteile jeglichen Einsatz von chemischen Waffen. Das Thema hätte aber nicht als Vorwand für Angriffe auf einen Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen benutzt werden sollen, teilte das Außenministerium der Nachrichtenagentur Isna zufolge mit.
Auch die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) reagierten empört. "Die Amerikaner wollten ja nie die Untersuchungsergebnisse der angeblichen Giftgasangriffe abwarten, sondern suchten nach einem Vorwand für ihre Angriffe", sagte ein IRGC-Sprecher. Die "Abenteuerpolitik" der USA gefährde die Sicherheit der Region und werde Konsequenzen haben. "Die aber werden mehr den Amerikanern schaden."
May: Angriffe waren "richtig und legal"
Die britische Premierministerin Theresa May verteidigte den Militärschlag. Sie bezeichnete die Luftangriffe auf syrische Ziele als "begrenzt, gezielt und effektiv". Sie sollten die Fähigkeit des dortigen Regimes schwächen, Chemiewaffen zu entwickeln und zu nutzen. Der Vergeltungsschlag sei "richtig und legal" gewesen.
Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, hatte zuvor die Angriffe als rechtlich fragwürdig bezeichnet. Er hatte ein Mitspracherecht des Parlaments an der Entscheidung gefordert. "Bomben retten keine Leben und bringen keinen Frieden", sagte Corbyn.
Frankreich: Vorgehen war "proportioniert und gezielt"
Auch Frankreich verteidigte die Angriff auf Syrien. Der Angriff war nach den Worten des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian rechtmäßig. "Dieses Vorgehen ist proportioniert und gezielt", sagte er. Es richte sich nicht gegen die Verbündeten Syriens und auch nicht gegen die Zivilbevölkerung. Die Luftangriffe hätten die gesetzten Ziele in Syrien erreicht.
Derzeit seien keine weiteren Angriffe geplant, sagt Le Drian dem Sender BFM TV. Die Regierung in Damaskus müsse sich aber im Klaren darüber sein, dass neue Luftschläge geplant werden könnten, wenn sie erneut rote Linien überschreiten.
Frankreich könne den Einsatz chemischer Waffen nicht hinnehmen, sagte Staatspräsident Emmanuel Macron. Sie stellten eine Gefahr für das syrische Volk und "unsere gemeinsame Sicherheit" dar. Er habe deshalb den Streitkräften den Befehl zum Eingreifen gegeben. Der Angriff sei auch ein Mittel gegen die Banalisierung des Einsatzes von Giftgas, so Macron. Er hatte mehrfach mit Militärschlägen bei der Überschreitung dieser "roten Linie" gedroht.
Merkel: Einsatz war "erforderlich und angemessen"
Auch die Bundesregierung stellte sich hinter die westlichen Angriffe auf Syrien. "Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Wir unterstützen es, dass unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in dieser Weise Verantwortung übernommen haben." Innenpolitisch ist der Angriff jedoch äußerst umstritten.
UN fordern Zurückhaltung
UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief alle Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf. Alle Staaten müssten "unter diesen gefährlichen Umständen Zurückhaltung üben und jedwede Handlung unterlassen, die zu einer Eskalation der Lage und zu einer weiteren Verschlimmerung des Leids der syrischen Bevölkerung führen könnten".
Guterres sagte eine geplante Reise nach Saudi-Arabien ab, um sich am Wochenende mit den Folgen der Angriffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs zu befassen. Er mahnte, es müsse in Übereinstimmung mit internationalem Recht gehandelt werden.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker rief die syrische Regierung dazu auf, den Einsatz von Chemiewaffen zu beenden. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass die Regierung in Damaskus Chemiewaffen gegen Zivilisten eingesetzt habe, aber es müsse das letzte Mal sein, erklärt er.
Lob vom NATO-Generalsekretär
Die USA, Frankreich und Großbritannien wollen nach den Angriffen in Syrien ihre NATO-Partner heute in einer Sondersitzung informieren. Der Nordatlantikrat - das oberste Entscheidungsgremium der NATO - werde am Nachmittag zusammenkommen, hieß es aus NATO-Kreisen in Brüssel.
Die NATO befürwortete die Angriffe in Syrien. "Dadurch wird die Fähigkeit des Regimes vermindert, das syrische Volk weiter mit Chemiewaffen anzugreifen", teilte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit. Der mutmaßliche Chemiewaffeneinsatz durch die Regierung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad in Duma vor einer Woche habe nach einer "kollektiven und wirksamen" Antwort der internationalen Gemeinschaft verlangt. Sowohl die USA als auch Frankreich und Großbritannien sind Mitglieder der NATO.
Türkei und Israel rechtfertigen Angriff
Die Türkei bezeichnete den Angriff als "angemessene Antwort auf den Chemiewaffenangriff". Ähnlich äußerte sich Israel. Ein israelischer Regierungsvertreter wertete die Angriffe als Durchsetzung einer roten Linie für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad. US-Präsident Trump habe Assad zuvor deutlich gemacht, dass dieser mit dem Gebrauch von Chemiewaffen die rote Linie überschreite.
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