Johnson-Äußerungen in "Brexit"-Debatte Tusk schimpft über Hitler-Vergleich

Stand: 17.05.2016 17:08 Uhr

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat empört auf den Vergleich des Londoner Ex-Bürgermeisters Boris Johnson zwischen Hitler und der Europäischen Union reagiert. Johnsons Äußerungen seien absurd und zeugten von "politischer Amnesie", sagte Tusk.

Was ihre Abstimmung über den Austritt aus der Europäischen Union angehe, so bräuchten die Briten keine "Einflüsterer", schon gar nicht aus Brüssel, sagt EU-Ratspräsident Donald Tusk. Aber wenn die EU mit den Plänen und Projekten von Adolf Hitler verglichen werde, dann könne er nicht schweigen, so der Pole.

"Gefährlicher Blackout"

"Boris Johnson hat die Grenzen einer vernünftigen Debatte überschritten, er weist Züge politischen Gedächtnisschwundes auf", erklärte Tusk. Es gebe keine Entschuldigung für diesen "gefährlichen Blackout", fügte der Pole noch an.

Boris Johnson ist der ehemalige Bürgermeister von London und einer der prominentesten Vertreter eines britischen Austritts aus der EU. Am Wochenende hatte er mit einem Satz für politischen Aufruhr gesorgt, der da lautete: Die EU versuche, in Europa einen Superstaat zu errichten, damit aber seien schon Napoleon und Hitler gescheitert.

Boris Johnson

Londons Ex-Bürgermeister Boris Johnson befürwortet einen "Brexit"

Tusk: Konnte Hitler-Vergleich nicht so stehen lassen

Für diesen Vergleich hatte Johnson bereits in seinem Heimatland Kritik geerntet. Nun schaltet sich auch die EU ein: Ratspräsident Tusk ist jener EU-Spitzenvertreter, der zu Gipfel-Treffen einlädt und dort versucht, mit den 28 Staats- und Regierungschefs Kompromisse zu schmieden.

"Solche absurden Argumente verdienten es eigentlich, völlig ignoriert zu werden, wären sie nicht von einem der einflussreichsten Politiker der Regierungs-Partei formuliert worden", befand Tusk.

Kai Küstner, K. Küstner, NDR Brüssel, 17.05.2016 14:46 Uhr

EU-Kommission bleibt bei Schweige-Gelübde

Johnson gehört derselben Partei an wie der britische Premier Cameron. Er hatte sich aber, anders als Cameron, kürzlich ins Lager der Brexit-Befürworter, also eines britischen Ausstiegs aus der EU, geschlagen.

Die EU-Kommission in Brüssel hatte vor kurzem verkündet, sich aus der Debatte auf der Insel weitgehend raushalten zu wollen. An dieser Taktik wird sie auch weiterhin festhalten, wie ihr Chefsprecher Margaritis Schinas jetzt bestätigte: "Was das Referendum in Großbritannien betrifft, so haben wir davon abgesehen, Kommentare jeglicher Art zu kommentieren - egal wie geschmackvoll oder geschmacklos sie auch sein mögen. Wir werden unsere Position heute nicht ändern."

Die Kommission also hält an ihrem Schweige-Gelübde fest. Der EU-Ratspräsident aber hat sich entschieden, nun das Wort zu ergreifen, und zwar für die Union.

In ihr sieht er eine Art Brandschutzmauer gegen die aktuellen, bedrohlichen Krisen und Spannungen: "Die Länder der EU müssten es mit der Flüchtlingskrise, mit einem aggressiven Russland und mit wirtschaftlicher Unsicherheit auch ohne die EU aufnehmen. Die Frage ist, ob die Staaten auf sich gestellt besser mit den Problemen klar kommen."

Für Tusk steht die Antwort auf diese Frage fest. In der EU sind die Einzelstaaten besser aufgehoben. Die Briten werden diese Frage für sich am 23. Juni beantworten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 17. Mai 2016 um 13:29 Uhr.