Pakistan nach der Katastrophe Das Wasser bleibt - die Not auch

Stand: 30.12.2010 13:20 Uhr

Es ist die schlimmste Flutkatastrophe in der Geschichte Pakistans: Innerhalb weniger Tage wird ein Fünftel des Landes überschwemmt - eine Folge der heftigen Regenfälle Ende Juli. Etwa 20 Millionen Menschen sind betroffen. Auch Monate später stehen noch immer viele Gebiete unter Wasser. Die Not bleibt groß.

Von Sabina Matthay, ARD-Hörfunkstudio Neu-Delhi

Erst hatte Pakistan Dürre und Wasserknappheit befürchtet, dann fiel der Monsun viel stärker aus als erwartet. Der Indus und seine Nebenflüsse traten über die Ufer: Mit Monstern und mit kämpfenden Schlangen verglich Inamullah Dharejo die ungeheuren Wassermassen, die seine Heimat Anfang August in nie dagewesenem Tempo heimsuchten. Dharejo besitzt große Ländereien in der Provinz Sindh im pakistanischen Süden, die am stärksten unter den Überschwemmungen gelitten hat.

Ein Fünftel des Landes stand unter Wasser, 18.000 Dörfer wurden weggespült, zwei Millionen Häuser, ebenso viele Hektar Ackerland. Rund 20 Millionen Menschen waren betroffen. Eine Naturkatastrophe, deren Folgen gravierend waren - zumal der pakistanische Staat sie nur unzulänglich bewältigen konnte.

500.000 Menschen in Notunterkünften

Im gebirgigen Norden zerstörte die Flut zwar Straßen und Brücken, doch hier sind viele Täler inzwischen wieder mit Geländewagen erreichbar. Weite Teile von Sindh stehen dagegen weiterhin unter Wasser. Es kann in der Ebene nicht abfließen. Verdunstung bestimmt das Tempo, mit dem die Fluten zurückgehen. Das kann dauern.

So leben schätzungsweise eine halbe Million Menschen immer noch in provisorischen Unterkünften. Es sind nicht die Großgrundbesitzer, sondern Kleinbauern und Tagelöhner.

In einem Auffanglager in der Stadt Sukkur leben derzeit knapp 350 Familien. Auf dem Höhepunkt der Krise beherbergte das Lager 200.000 Flutvertriebene. Es gibt Toiletten und Brunnen, manchmal kommt ein Arzt. Doch ansonsten sind die Menschen hier auf sich gestellt.

Die meisten möchten in ihre Dörfer zurück, sagt der Landarbeiter Zia: "Die Leute, deren Höfe höher liegen, haben sich schon wieder auf den Weg dahin gemacht, weil sie hoffen, dass ihr Land bald trocknet. Wir anderen können noch nicht, unser Land steht immer noch unter Wasser."

Auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen

Aber dort, wo das Wasser abgeflossen ist, hat der abgelagerte Schlamm viele Äcker unbrauchbar gemacht. Auf nutzbaren Flächen ist zwar die Wintersaat ausgebracht, das reicht jedoch nicht. Auch nächstes Jahr wird Pakistan auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen sein.

Die Vereinten Nationen leisten deshalb Monate nach Beginn der Naturkatastrophe immer noch Nothilfe. "Im nördlichen Sindh werden die Temperaturen so weit sinken, dass das Leben für Menschen in Notunterkünften schwierig wird", sagt Fawad Hussein von der UNO. Ohne Notunterkünfte sei das Überleben kaum möglich.

Sechs Millionen Menschen versorgten UN-Organisationen im November mit Nahrungsmitteln. Die pakistanische Regierung hat eine Nothilfe pro Familie von 20.000 Rupien zugesagt, das sind ungefähr 180 Euro. Doch das Geld ist noch immer nicht bei allen Bedürftigen angekommen.

Pläne zum Wiederaufbau? Fehlanzeige

Langfristige Pläne zum Wiederaufbau der Überflutungsgebiete hat die Regierung in Islamabad bisher nicht vorgelegt. Und die Feudalstrukturen gerade in Sindh behindern die Hilfe ebenso wie die ineffiziente Verwaltung. Auf Drängen des Auslands wurde immerhin eine geringfügige, befristete Sondersteuer auf höhere Einkommen eingeführt.

Die Kürzung des massiven pakistanischen Militärhaushalts dagegen bleibt tabu. Zum Schaden der Gesellschaft, meint der politische Beobachter Kaiser Bengali. "Für jede Rupie für das Gesundheitswesen geben wir fünf für das Militär aus. Das spiegelt unsere kollektiven Werte wieder. Die müssen sich ändern, erst dann kann der pakistanische Staat behaupten, dass er sich zuallererst seinen Bürgern verpflichtet fühlt."