Flüchtlinge im Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos, Archivbild
Reportage

Flüchtlinge in Griechenland Warten - ohne Perspektive

Stand: 18.03.2017 13:34 Uhr

Sie haben es geschafft, haben eine gefährliche Flucht übers Meer überstanden - Flüchtlinge aus Afrika. Doch wie es nun für sie weitergeht, ist ungewiss. Viele sind seit Monaten in Griechenland gestrandet, warten, ohne Perspektive.

Der Klang von Dieselaggregaten ist der ständige Begleiter unten am Haupteingang zum Flüchtlingscamp Moria. In den fünf Imbissbuden trinken Männer Kaffee auf bunten Campingsesseln. Hölzerne leere Kabelrollen dienen als Tisch. Von der Decke hängen Mehrfachsteckdosen für die Handy-Ladegeräte. 

Die Blicke der Gäste gehen irgendwie ins Leere, auch der von Kari, einer jungen Frau aus Kamerun. Sie lässt sich gerade vom Gemüsehändler auf der Straße gegenüber ein paar Tomaten vom Pickup reichen: "Sechs Monate lebe ich hier schon in Moria - immer noch im gemischten Bereich, gemeinsam mit Männern, das ist nicht leicht. Und ich habe noch nicht mal eine erste Asylbefragung gehabt, obwohl ich immer wieder darum bitte. Sie könnten mich doch endlich mal zu sich rufen. Es passiert aber nichts."

Kari hat sich mit einer anderen Frau aus Kamerun zusammengetan, erzählt, dass manche Frauen mit bezahltem Sex das monatliche Taschengeld von 90 Euro aufbessern wollen. Das sei eine persönliche Entscheidung. Einmal sei sie mit ihrer Freundin vor dem Lager abends von einem Griechen aus dem Auto aus angesprochen und dann auch am Arm gepackt worden. Achselzucken. Starre Blicke. Viele der 2200 Bewohner des immer noch mit dickem Stacheldraht umzäunten Flüchtlingslagers auf Lesbos wirken lethargisch. 

Menschen ohne Perspektive

Achilleas Tzemos koordiniert für "Ärzte ohne Grenzen" die Flüchtlingshilfe auf der Insel und sagt, dass die allermeisten Menschen in Moria keine wirkliche Perspektive hätten: "Moria ist für sie das Ende einer langen, langen Reise. Auf der Flucht sind viele Gewalt, auch sexueller Gewalt ausgesetzt gewesen. Sie kommen hier also in sehr schlechtem Zustand an und leben dann zusammengepfercht in diesem Lager. Von uns bekommen sie die nötigste medizinische Versorgung - schnell muss das manchmal gehen. Sie brauchen auch psychische Hilfe, um ihnen die schlimmste Last von den Schultern zu nehmen."

"Ärzte ohne Grenzen" sorgt wie viele andere Helfer auch auf den griechischen Inseln mit Flüchtlingsunterkünften für inzwischen sehr professionell funktionierende Hilfe - mit Ärzten, einigen Psychologen und auch einem eigenen Hospital.  

Das Camp Moria auf der griechischen Insel Lebsos

Stacheldraht und Wellblech - so sehen die Unterkünfte der Flüchtlinge im Camp Moria auf Lesbos aus.

Bessere Situation auf dem Festland

Roland Schönbauer vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sagt, die Versorgung sei inzwischen halbwegs menschenwürdig, aber lange nicht ideal: "Seit Juli wurden immerhin 10.000 Asylsuchende von den Inseln aufs Festland verlegt, um sie zu besseren Quartieren zu bringen. Für die Verfahren bedeutet das auch einen kleinen Fortschritt, weil auf dem Festland mehr Kapazitäten da sind. Aber für viele bedeutet das noch immer: Warten, warten, warten - und das schon seit langem."

Und so ist der Ausflug durch Olivenhaine zum Discounter an der Hauptstraße für viele hundert Flüchtlinge eine Art Tages-Highlight.

Ganz ähnlich läuft das auch auf der Insel Chios. Dort klagen Hilfsdienste an, dass man Neuankömmlinge seit kurzem ein paar Stunden lang erstmal in kleine Boxen sperrt, um sie zu isolieren. Journalisten haben das noch nicht erkundet, auch im Camp auf Samos sind Journalisten nicht erwünscht.  

Fallen beim Asylverfahren

Trotz allem Perspektiven zeigen für ein besseres Leben - das ist ein großes Anliegen des deutschen Anwaltsvereins, der auf Lesbos das Projekt "Europäische Anwälte in Lesbos" angestoßen hat. Geschäftsführer Cord Brügmann erfuhr im Camp von Moria von einem Anwaltskollegen, warum ein Mann aus dem Irak ziemlich verzweifelt auf seine Ablehnung als Asylsuchernder reagiert hat - nach monatelangem Warten auf seine Anhörung: "Dieser Mann wusste im Asylverfahren nicht ,dass es relevant ist, dass er als Christ im Irak verfolgt wurde und dass er deswegen den Irak verlassen hat. Im späteren Verfahren konnte er das nicht mehr einbringen. Wenn er eine Erstberatung gehabt hätte, dann wäre ihm klar geworden, dass es hier in Europa an den Außengrenzen ein Asylverfahren gibt, und dass er als verfolgter Christ eine ziemlich große Chance gehabt hätte, Asyl zu bekommen."

Einige wenige der ganz Verzweifelten Flüchtlinge auf den griechischen Inseln versuchen das Unmögliche: Eine erneute Flucht aufs griechische Festland. Anfang März versuchte ein 24-jähriger syrischer Flüchtling, in einem Koffer versteckt zu flüchten - mit Landsleuten, die legal auf die Fähre nach Athen unterwegs waren. Er wurde ertappt und festgenommen.

Und immer wieder Kontrollen

In diesen Tagen sind die Kontrollen am Hafen von Mytilini auf Lesbos nochmal verstärkt worden, Polizei und ein paar Soldaten filzen intensiv jeden Lastwagen. Erst später darf der Lkw langsam im Rückwärtsgang auf die Fähren rolle, wieder unter den Augen des Wachpersonals.

9000 Flüchtlinge leben zur Zeit auf den griechischen Inseln. Es könnten im Frühling wieder mehr werden. Knapp 40.000 sind es, verteilt auf dem Festland, oft in besseren Unterkünften. Doch eine wirkliche Perspektive haben sie alle nicht.

"Es ist sehr schwer für mich, ohne Papiere nach Athen zu kommen", sagt Kari aus Kamerun. "Ich muss einfach warten, ich weiß nicht, ich bin im Kopf irgendwie total durcheinander. "

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 18. März 2017 um 07:07 Uhr