Bundeskanzlerin Merkel in Brüssel in einem Flur umgeben von Personen in Anzügen.

EU-Sondertreffen Vier schwere Stunden für Merkel

Stand: 26.06.2018 03:39 Uhr

16 EU-Staats- und Regierungschefs sitzen in Brüssel zusammen: Gesucht wird ein Ausweg aus dem Asylstreit. Kanzlerin Merkel dämpfte die Erwartungen an den "Mini-Gipfel". Italien reiste mit Maximalforderungen an.

Vertreter von 16 EU-Staaten sind in Brüssel zusammengekommen, um über die Asylpolitik zu beraten. Kein Sondergipfel sei das, betonen Teilnehmer. Vielmehr handele es sich um ein "informelles Arbeitstreffen, einen ersten Austausch", wie es Kanzlerin Angela Merkel vor Beginn der Gespräche sagte. Eingeladen zu dem vierstündigen "Mini-Gipfel" hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Druck für Merkel...

Nicht nur ihm ist das Treffen wichtig. Auch die Kanzlerin setzt auf die Gespräche: Dort wolle man ausloten, ob in den kommenden Tagen "noch bi- und trilaterale Absprachen und mehr Gemeinsames" gefunden werde, sagte Merkel. Was die Ergebnisse angeht, ist sie jedoch skeptisch. Auch mit Blick auf den EU-Gipfel, der am Donnerstag und Freitag stattfindet. Eine Gesamtlösung des Migrationsproblems erwartet Merkel auch dort nicht. Es müssten Wege gefunden werden, wie man bei der sogenannten Sekundärmigration - also der Weiterreise von bereits registrierten Asylbewerbern - in der EU "fair" miteinander umgehe, sagte die Kanzlerin.

Merkel steht innenpolitisch enorm unter Druck, auf europäischer Ebene einen Weg zu finden, den Zustrom von in anderen EU-Ländern registrierten Asylbewerbern nach Deutschland zu bremsen. Gelingt keine für die CSU akzeptable Lösung, will Innenminister Horst Seehofer einseitig mit Zurückweisungen an der deutschen Grenze beginnen. Das könnte zur Zerreißprobe für die Große Koalition werden.

Bundeskanzlerin Merkel in Brüssel in einem Flur umgeben von Personen in Anzügen.

Wie weit kommt sie in ihrem Werben um Unterstützung? Kanzlerin Merkel trifft in Brüssel auf viele Gegner.

...und ein Plan von Macron

In Brüssel könnte es konkret um einen Plan aus Frankreich gehen. Präsident Emmanuel Macron hatte vorgeschlagen, in Europa ankommende Migranten in "geschlossenen Zentren" unterzubringen und dann zügig zu ermitteln, ob es sich um Wirtschaftsflüchtlinge oder Schutzbedürftige handelt. Vor Beginn der Beratungen forderte Macron zudem, die Zusammenarbeit mit Drittstaaten außerhalb der EU auszubauen, um den Zulauf von Migranten zu stoppen.

Italien will grundsätzlichen Wandel

Italien drängt im Migrationsstreit auf einen "radikalen Wandel" der Asylpolitik. Die Dublin-Regelung, nach der Migranten in dem Land einen Asylantrag stellen müssen, das sie zuerst innerhalb der EU betreten hätten, müsste komplett überwunden werden, sagte Regierungschef Giuseppe Conte.

Mit einem neuen Vorschlag namens "European Multilevel Strategy for Migration" wolle Italien "das Problem auf strukturierte Art und Weise angehen, weil das uns die öffentliche Meinung aufträgt".

Das Land regte in einem Papier für den "Mini-Gipfel" an, Ländern die EU-Mittel zu kürzen, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen. Außerdem fordert die Regierung darin, in mehreren EU-Staaten Migrationszentren zu eröffnen - nicht nur in Spanien und Italien.

Italien ist eines der Hauptankunftsländer für Migranten in Europa. Aus Libyen legen die meisten Boote mit Flüchtlingen aus Afrika ab. Die populistische Regierung aus Fünf-Sterne-Partei und rechter Lega fahren in der Migrationspolitik eine harte Linie und hatte zuletzt mehreren Rettungsbooten die Einfahrt in italienische Häfen verweigert.

Visegrad-Staaten bleiben fern

Demonstrativ abwesend bei dem Treffen in Brüssel sind Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei - die sogenannten Visegrad-Staaten. Sie machen einen europäischen Kompromiss seit Monaten mit ihrer Weigerung unmöglich, sich auf eine Flüchtlingsverteilung einzulassen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 24. Juni 2018 um 16:25 Uhr.