Eine britische und europäische Flagge stehen nebeneinander.

Brexit-Gespräche Rettende Idee Zusatzprotokoll?

Stand: 21.02.2019 18:21 Uhr

Wie geht es weiter mit dem Brexit? Einen Tag nach dem Treffen von Premierministerin May und EU-Chef Juncker kocht in Brüssel die Gerüchteküche. Besonders das Wort "separate Erklärung" macht die Runde.

Wird im Brexit-Drama doch noch alles gut? Lässt sich das gefürchtete No-Deal-Szenario noch abwenden? In Brüssel kocht einen Tag nach dem Treffen von Premierministerin Theresa May mit Kommissionschef Juncker die Gerüchteküche. Und die Unterhändler haben alle Hände voll zu tun.

Corbyn hat noch Hoffnung

Aus Diplomatenkreisen war zu hören, beide Seiten hätten sich zumindest minimal aufeinander zubewegt. Und der britische Finanzminister Philip Hammond hält nach eigenen Worten einen Durchbruch "in den nächsten Tagen" für möglich.

Jeremy Corbyn verlässt die EU-Kommission in Brüssel.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn wirbt für einen glaubwürdigen Weg.

Auch Oppositionsführer Jeremy Corbyn, der zu Gesprächen mit EU-Chefverhandler Michel Barnier nach Brüssel gekommen war, hat die Hoffnung offensichtlich noch nicht aufgegeben: "Wir werben für das, was wir für einen glaubwürdigen Weg halten", sagt Corbyn - und meint eine Zollunion mit der EU, einschließlich einer Anbindung an den Binnenmarkt. "Wir sind überzeugt, dass diese Vorschläge gangbar sind und dass man sie aushandeln könnte." Das Problem sei, dass die Premierministerin auf ihrem Deal beharre, der bereits mehrmals abgeschmettert worden sei. May spiele auf Zeit.

Vorläufigkeit des "Backstops" soll betont werden

Hinter den Kulissen ist derweil von einer "separaten Erklärung" die Rede, zusätzlich zu Austrittsvertrag und politischem Fahrplan für die Zukunft: Darin heben EU-Vertreter und Briten die vorläufige Natur des sogenannten "Backstops" noch einmal besonders hervor. Der "Backstopp" ist jene umstrittene Auffanglösung für die britische Provinz Nordirland, die eine harte Grenze zur Republik Irland inklusive Zollkontrollen verhindern soll, wenn in der maximal vierjährigen Übergangsphase keine alternative Lösung gefunden wird.

Wegen dieser heiklen Klausel ist eine Mehrheit im Londoner Parlament bisher nicht zustande gekommen. Labour-Chef Corbyn warnt eindringlich: Die Gefahr eines No-Deals sei sehr ernst und sehr nah. "Wir von der Labour-Party haben unmissverständlich klargemacht, dass wir einen solchen ungeregelten Austritt nicht gutheißen, weil er Arbeitsplätze und Lieferketten in der verarbeitenden Industrie, auf dem Lebensmittelsektor und anderswo bedroht."

"Backstop" bleibt Streitpunkt Nummer eins

Einziger Zweck einer solchen "parallelen" Erklärung, die Brüsseler Insider auch mit dem Fachterminus "interpretierendes Instrument" oder "Zusatzprotokoll" umschreiben, wäre es, den Brexit-Rebellen im Lager von Mays Tory-Partei das Ja zum 600-seitigen Austrittabkommen mit der EU zu erleichtern.

Die entscheidende Frage ist, ob dies gelingt. Die konservativen Hardliner in Kabinett und Unterhaus würden den "Backstop" lieber ganz loswerden, weil sie fürchten, aus einer provisorischen Rückversicherung zum Schutz des Karfreitagsfriedens könnte am Ende ein Dauerzustand werden.

Den "Backstopp" zu streichen, zeitlich zu befristen oder den Briten ein einseitiges Kündigungsrecht einzuräumen, haben die 27 verbleibenden EU-Staaten schon ausgeschlossen.

Noch ein Treffen im Februar

Zarte Signale einer Annäherung gab es bereits gestern Abend, als die britische Regierungschefin von einer weiteren, rund zweistündigen Stippvisite in Brüssel nach Hause zurückkehrte.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker begrüßt die britische Premierministerin Theresa May in Brüssel.

Noch im Februar wollen sich Juncker und May erneut treffen.

"Konstruktiv" seien ihre Gespräche mit Kommissionspräsident Juncker verlaufen, so vermerkte es anschließend das gemeinsame Pressestatement. Außerdem ließen May und Juncker mitteilen, dass sie sich noch vor Ablauf des Monats ein weiteres Mal treffen wollten.

May schwärmt, Juncker gibt sich zugeknöpft

Während die Premierministerin von "Fortschritten" schwärmte und erneut "rechtlich bindende Änderungen" am Abkommen einforderte, gab sich ihr Gesprächspartner Juncker tags darauf eher zugeknöpft. Seine Bemühungen in Sachen Brexit seien darauf ausgerichtet, "das Schlimmste zu vermeiden", so der Luxemburger am Rande eines Termins. Er sei jedoch "nicht sehr optimistisch".

Noch ein Treffen im Februar

Kommende Woche, genauer am 27. Februar, will das Parlament in Westminster möglicherweise zum letzten Mal über Mays Brexit-Plan abstimmen. Beobachter halten es für möglich, dass dann eine Art parteiübergreifende "Koalition der Willigen" das Heft des Handelns an sich reißt.

Würde die Idee eines Zusatzprotokolls akzeptiert, könnten die Details auf dem regulären EU-Gipfel am  21. und 22. März verabschiedet werden - eine Woche vor dem offiziellen Austrittsdatum. Geht es schief, dürfte der Druck auf alle Beteiligten übermächtig werden, den Brexit-Termin doch noch zu verschieben.

Holger Romann, H. Romann, ARD Brüssel, 21.02.2019 17:27 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 21. Februar 2019 um 19:00 Uhr.