Blick auf ein Flüchtlingslager in Adre, im Sudan.

Baerbock reist in den Südsudan Zu Besuch in einer oft vergessenen Region

Stand: 25.01.2024 12:30 Uhr

Außenministerin Baerbock will bei ihrem Besuch im Südsudan am Freitag vor allem über den Bürgerkrieg reden, der seit April in der Region tobt. Millionen Menschen sind geflüchtet. Doch Hilfe gibt es kaum.

Inmitten der kargen Landschaft im Osten des Tschad gibt es ein Meer aus weißen Zelten bis zum Horizont. Frauen in bunten Gewändern hocken mit ihren Kindern im Schatten der Zeltplanen und warten. Hier leben die, die dem Grauen im Sudan entkommen sind. "Drei Tage lang haben sie uns angegriffen", erzählt die Mutter Roukaya der Nachrichtenagentur Reuters. Die Bewaffneten seien von Tür zu Tür gegangen und hätten die Männer zusammengetrieben. Dann hätten sie sie getötet. "Auch den Vater meiner Kinder haben sie auf die Straße geholt und dort erschossen. Sie haben mir alles genommen, ich musste mit den Kindern in den Tschad fliehen" erzählt sie.

Die Schilderungen der Grausamkeiten aus dem Krieg im Sudan reißen nicht ab. Besonders betroffen: Die Region Darfur im Westen des Sudans - dort soll es seit Monaten zu ethnischen Säuberungen kommen. "Manche Opfer starben bei Massenhinrichtungen oder wurden bei lebendigem Leibe verbrannt", berichtet UN-Sprecher Jeremy Laurence schon vor Wochen. Frauen und Mädchen erzählen von sexueller Gewalt. Tausende Menschen wurden vertrieben.

Millionen Menschen auf der Flucht

Die Zahl der Geflüchteten im Sudan geht insgesamt in die Millionen: Die meisten Menschen sind innerhalb des Sudan auf der Flucht, doch auch die Nachbarländer wie Tschad, Ägypten, Äthiopien oder Südsudan haben Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Gerade im Südsudan ist die Lage katastrophal. Das Bürgerkriegsland zählt zu den ärmsten zehn Ländern der Welt, es mangelt an staatlichen Strukturen, weite Teile der Bevölkerung hungern. Jetzt kommen die Flüchtlinge aus dem Sudan dazu - teilweise Rückkehrer, die von einem Elend ins nächste taumeln.

Auch im Tschad ist die Lage äußerst schwierig - ganz zu schweigen von der Situation innerhalb des Sudan, sagt Hashim Bilal von der Welthungerhilfe. "Wir sprechen hier von 7,4 Millionen Menschen, die ihr Zuhause verloren haben. Nirgendwo auf der Welt wurden aktuell so viele Menschen innerhalb eines Landes vertrieben wie im Sudan". Doch Kriege wie Gaza oder die Ukraine bekämen eine viel größere Aufmerksamkeit, beklagt Bilal. "Wir brauchen Gelder für den Sudan - der internationale humanitäre Hilfsplan wurde im vergangenen Jahr nur zu 30 Prozent finanziert. Und jetzt haben wir schon 2024."

Humanitäre Organisationen haben große Schwierigkeiten, überhaupt noch Hilfe in den Sudan zu bringen, da sich die Kämpfe auf das ganze Land ausgeweitet haben - die medizinische Versorgung soll zusammengebrochen sein, mehr als 15 Millionen Menschen brauchen nach Angaben von Hashim Bilal Nahrungsmittelhilfen. "Wir besprechen täglich neu, wo wir hin können und wo nicht, damit wir nicht am falschen Ort zur falschen Zeit landen und unsere Mitarbeiter gefährden. Manche Regionen sind völlig unzugänglich. Man muss jeden Tag neu entscheiden."

Armee kämpft gegen RSF-Miliz

Im Sudan kämpfen seit April vergangenen Jahres die Truppen des Armeechefs und de facto Machthabers Abdel Fattah al-Burhan gegen die RSF-Miliz, die von seinem ehemaligen Stellvertreter Mohamed Dagalo, genannt Hemeti befehligt wird. Die beiden Männer streiten um die Macht im Land. Die Kämpfe richten ein ganzes Land zugrunde.

Der RSF-Miliz - die Abkürzung steht für "Rapid Support Forces" - werden massive Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen. Ihr Anführer Hemeti arbeitet deshalb offenbar an seinem Image und will sich als potenzieller Präsident des Landes präsentieren - neuerdings tritt Hemeti nicht mehr in Uniform sondern im Anzug auf und wurde in mehreren afrikanischen Ländern bereits wie ein Staatsmann empfangen.

Der Möchtegern-Präsident soll Berichten zufolge von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt werden. In Interviews gibt er sich versöhnlich und entschuldigt sich beim Volk. "Wir haben diesen Krieg nicht verursacht. Trotzdem entschuldige ich mich bei jedem Kind, bei jeder Frau. Ich sage ihnen: Verliert die Hoffnung nicht! Ich hoffe, bald herrscht wieder Frieden", so Hemeti.

Von erfolgreichen Friedensverhandlungen fehlt bislang jede Spur

Tröstliche Worte, während das Morden weitergeht? Von erfolgreichen Friedensverhandlungen fehlt bislang jede Spur - die Kriegsparteien geben sich gegenseitig die Schuld am Scheitern sämtlicher Gespräche. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat den Krieg im Sudan nun auf ihre Agenda gesetzt - der Konflikt dürfe nicht zu einer "vergessenen Krise" werden, forderte die Grünen-Politikerin.

Doch das ist offenbar längst geschehen - was die Menschen im Sudan und Hilfsorganisationen vor Ort neben dem Krieg wohl am meisten belastet, sagen viele, ist das Gefühl, von der internationalen Gemeinschaft vergessen zu werden.

Anna Osius, ARD Kairo, tagesschau, 25.01.2024 11:14 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 25. Januar 2024 um 07:51 Uhr.